„Aids-Prozeß“ wegen Eifersucht

Freispruch für eine HIV-infizierte Verkäuferin, die wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung vor Gericht stand / Denunziation aus Eifersucht / Belastungszeugen droht Verfahren wegen falscher Verdächtigung  ■  Aus München Luitgard Koch

Immer häufiger beschäftigt die Immunschwächekrankheit Aids die Gerichte. Zu welchen abstrusen Gerichtspossen es bei diesen Schnüffeleien der Justiz im Intimbereich kommen kann, zeigte sich kürzlich im oberpfälzischen Amberg. Dort stand erstmals eine junge Frau vor dem Kadi. Die 27jährige HIV -infizierte Verkäuferin, Maria S. (Namen geändert, die Red.), mußte jedoch nach zweitägiger Verhandlung mangels Beweisen freigesprochen werden. Die Staatsanwaltschaft hatte sie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Im Herbst '87 habe sie mit einem 19jährigen Mann geschlafen.

Nach einem Discobesuch sei die junge Schwandorferin mit ihm in seine Wohnung gegangen. Sein Freund habe die beiden begleitet. „Sie unternahm nichts zum Schutz gegen die Übertragung des Aids-Virus“, so der Vorwurf von Staatsanwalt Gerhard Maier. Der inzwischen 21jährige hat sich nicht infiziert.

Zur Verhandlung kam es, weil der junge Amberger, mit dem Maria S. die Nacht verbrachte, im Mai vergangenen Jahres zur Polizei ging und sie anzeigte. Seine 23jährige Freundin, die die beiden im Bett überraschte, hatte ihn dazu gedrängt. Vor Gericht hörte sich die Darstellung des jungen Mannes jedoch anders an als bei der Polizei. „Es kam nur zum Austausch von Zärtlichkeiten, mehr aber war nicht“, beteuerte er plötzlich und verblüffte damit Staatsanwalt und Richter. Maria S. habe sich bald nachdem sie in seiner Wohnung waren in sein Bett gelegt, während er sich mit seinem Freund Videofilme ansah. Später habe er sich dann zu ihr gelegt. „Ich habe Videos gesehen, ob zwischen den beiden im Bett was war, kann ich nicht sagen“, erklärte der Freund, ein Landwirt aus Amberg, im Gerichtssaal.

„Ja ich habe meinen Ex-Freund angestachelt, damit er zur Polizei geht“, mußte am zweiten Verhandlungstag die ehemalige Freundin zugeben. Daß seine Freundin die „andere Frau nicht besonders leiden konnte“, hatte der 21jährige schon zuvor erklärt. Am Ende der Verhandlung blieb selbst Staatsanwalt Maier nichts anderes mehr übrig, als verärgert auf Freispruch zu plädieren. Der „Faktor Eifersucht“ habe hier wohl eine erhebliche Rolle gespielt, stellte er fest.

„Wie ein Kartenhaus sind alle Anschuldigungen gegen meine Mandantin zusammengebrochen“, betonte auch Verteidiger Franz Schindler in seinem Plädoyer. Der Anwalt kritisierte, daß durch diese Denunziation die intimsten Lebensbereiche der jungen Frau öffentlich ausgebreitet wurden. Dem 21jährigen und seiner Ex-Freundin droht jetzt ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung.