: „Heute habe ich auf Kosten des CIA gegessen“
■ Martin Thomas, grünes Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes, hatte schon einen Verdacht auf eine Bespitzelung durch US-Dienstellen, bevor die taz ihm das „Confidential Working Paper“ zeigen konnte
taz: Ich vermute, es ist nicht das erste Mal, daß Du überwacht und ausspioniert wirst von geheimen und mehr oder weniger wichtigen Diensten...
Martin Thomas: Das erste Mal habe ich 1969 Bekanntschaft mit dem Verfassungsschutz gemacht. Als 18jähriger Lehrling, als oppositioneller Gewerkschafter und Jugendlicher sollte ich bei AEG/Telefunken in Berlin übernommen werden ins Angestelltenverhältnis. AEG hatte sich geweigert, ich hatte mich an die IG Metall gewandt. Da mußte ich zwei Wochen nicht zur Arbeit
kommen, stattdessen stand der Berliner Verfassungsschutz jeden Tag vor meiner Tür und beobachtete, mit wem ich Kontakt hatte.
Was hast Du als 18jähriger Böses gemacht?
Ich war in der Gewerkschaftsjugend aktiv, das reichte damals auch für das Berliner SPD-Innenressort.
Aber Du hattest Kontakt mit KPD-Leuten?
Die gab's damals noch nicht, die war in ihrer Aufbauphase. Natürlich hatte ich da Kontakte, Studenten standen morgens vor den hier bitte das
kleine Portrait-Foto Martin Thomas
Fabriktoren und verteilten Flugblätter, ich habe auch Informationen über Streikvorbereitungen an die weitergegeben.
Wie hast Du auf den Verfassungsschutz reagiert?
Ich bin zu ihnen hingegangen und habe sie mir ganz aus der Nähe angeguckt. Sie lasen die Bild-Zeitung und waren fürchterlich auffällig in ihrem Verhalten. Ich habe natürlich dafür gesorgt, daß ich in dieser Zeit keinen Besuch bekam.
Der jüngste Kontakt jetzt war mit amerikanischen Dienststellen. Was für ein Indiz hast Du gehabt?
Bei dem Mitarbeiter aus dem amerikanischen Generalkonsulat, Frisbie, hatte ich am Anfang keinen Verdacht, daß er mich nur aushorchen wollte. Es ist üblich, daß zwischen Parlamentariern und den diplomatischen Vertretungen der verschiedenen Staaten ein Meinungsaustausch stattfindet. Das kenne ich aus Kontakten mit den Chinesen genauso wie mit dem sowjetischen Konsulat. Erst als Frisbie sich in seiner zweiten Frage nach meiner Tätigkeit in der PKK erkundigte und ganz spezielle Informationen über Herrn Altermann haben wollte, wurde ich mißtrauisch. Nach diesem Gespräch bin ich nach Hause gekommen und habe zu meinem Mitbewohner gesagt: 'Heute habe ich auf Kosten des CIA gegessen.‘
Glaubst Du, daß die US-Dienste eine dicke Akte über Dich haben?
Ich glaube, daß sie eher ein undifferenziertes Feindbild -Denken über die Grünen haben. Zumindest die US-Army und die Geheimdienste. Die Akte wird vielleicht jetzt wachsen. Ängste, jetzt ständig zum Objekt der Geheimdienste zu werden, habe ich eigentlich nicht. Für mich ist es aber schlicht eine Unverschämtheit, gegen die ich mich wehre.
Du hast die Parlamentarische Kontrollkommission mobilisiert, der Bürgerschaftspräsident will beim amerikanischen Generalkonsul vorsprechen - Du nimmst das heute nicht mehr so linksradikal locker wie 1969. Damals gehörte das doch zum guten Ton.
Mehr oder weniger hat man sich damals darüber geärgert, daß bei Demonstrationen oder Besetzungen der Verfassungsschutz immer dabei war. Das kenne ich
auch aus der DDR, wenn ich in Rostock war mit Freunden von den Grünen, dann hatte ich diese Achtgroschenjungs hinter mir. Das kannte ich. Aber ich glaube, wenn ein Parlamentarier, der schließlich durch demokratische Wahl die Aufgabe hat, in der PKK den Verfassungsschutz zu kontrollieren, zum Objekt eines amerikanischen Geheimdienstes wird - dann ist das eine andere Dimension.
Fragen: K.W.
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