: Union irrt im Strategiendunkel
■ Strategiedebatte der Union ohne konkrete Ergebnisse / CDU und CSU vereinbaren weiteren Termin / Die Bayern fordern Klartext / Angeblich wurden keine personellen Konsequenzen verlangt
Bonn/Berlin (dpa/taz) - Offenbar ohne Ergebnisse endete gestern die Strategiedebatte zwischen CDU und CSU. Nach einer dreistündigen Unterredung der Spitzen der beiden Parteien nannte Bundeskanzler Helmut Kohl am Montag ohne konkretere Angaben Wohnungsbau, Familienpolitik, Hochschulsituation, Asyl- und Ausländerproblematik sowie den Umweltschutz als die Fragen, die dringend gelöst werden müßten.
CSU-Chef Theo Waigel führte darüber hinaus Forderungen aus dem Bereich der inneren Sicherheit an und äußerte die Erwartung, daß das sogenannte Artikelgesetz in den nächsten Wochen verabschiedet werden kann. Am 18. April soll das Gespräch fortgesetzt werden. Wie antworten CDU/CSU auf gesellschaftliche Veränderungen? Für diese Frage, die sich CDU-Generalsekretär Heiner Geißler im Vorfeld der gestrigen Strategiedebatte der beiden Schwesterparteien selbst stellte, fand der CDU-Vordenker selbst nur eine negative Antwort: Mit Rechts und Links hat das überhaupt nichts zu tun. Seine bayerischen Parteifreunde, die gestern gleich zu sechst im Kanzleramt anrückten, sehen das erklärtermaßen anders. Am politischen Aschermittwoch in Passau zog Bayerns Regierender Max Streibl seine Konsequenzen aus dem Wahlerfolg der „Republikaner“ in Berlin. Die CDU/CSU müsse für national-konservative Wähler wieder attraktiv werden, mit anderen Worten rechts Flagge zeigen. Objekte der Profilierung seien Ausländer und Frauen. Die einen sollen raus, die anderen endlich wieder Kinder kriegen. Vor knapp zwei Wochen machte der CSU-Parteiausschuß Nägel mit Köpfen und beschloß einstimmig, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Reform des Paragraphen 218 zu klagen.
Hauptsächlicher Stein des Anstosses für die CSU ist die vermeintliche Öffnung nach links, die auf das Konto von Geißler gehen soll. Noch im Vorfeld der gestrigen Sitzung war aus den Reihen der CSU die Forderung lautgeworden, Geißler solle im September sein Amt aufgeben und anstelle von Ursula Lehr wieder das Familienministerium übernehmen. Zwar dementierte Parteichef Waigel umgehend, daß Innenminister Zimmermann Geißlers Kopf gefordert haben soll
-jede Partei soll ihre Personalangelegenheiten selbst regeln -, doch Zimmermann will seine Wende in der Ausländerpolitik und der sogenannten inneren Sicherheit nicht länger durch den Geißler-Flügel blockiert sehen.
Verschärft wird die Strategiedebatte mit Blick nach rechts durch die jüngsten Umfrageergebnisse. Während Emnid für den 'Spiegel‘ die CDU/CSU immerhin noch bei 38 Prozent ansiedelt, hat Kohls Freundin aus dem Hause Allensbach für die Union nur noch 35,5 Prozent gezählt. Angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen in Hessen eine Perspektive, die die Strategiedebatte weiter anheizen dürfte.
JG
CSU-Spendierhosen
München (taz) - Während selbst die CSU-Bundestagsabgeordnete Ursula Männle die von der bayerischen Staatsregierung angekündigte Verfassungsklage gegen den Paragraph 218 kritisierte, verteidigte die neue Vorsitzende der CSU -Familienkommission, Barbara Stamm, das Vorhaben. „Wir wollen keine Änderung des Paragraphen 218 und auch kein größeres Strafmaß für die Frauen“, behauptete die bayerische Staatssekretärin aus dem Sozialministerium gestern in der Münchner CSU-Zentrale. Bei der Klage gehe es lediglich um eine Überprüfung, ob die momentane Praxis der Indikationsfeststellung mit dem Karlsruher Urteil von 1975 vereinbar sei. Verärgert war Stamm über die Äußerung von Bundesjustizminister Engelhard. Er hatte der Klage keine Chance gegeben. „Die wollen sich nur rausreden“, protestierte die 44jährige Würzburgerin auf die Frage ob die angekündigte Klage nicht ein Schuß nach hinten war und die Verhandlungen über ein neues Schwangerenberatungsgesetz torpediert habe. Nach wie vor müsse das bayerische Beratungsgesetz der Maßstab für ein neues Beratungsgesetz sein. „Für die CSU ist die Familienpolitik nicht das Anziehen von Spendierhosen“, verkündete die Staatssekretärin. Gleichzeitig forderte sie eine Verlängerung des Erziehungsgeldes sowie die Erhöhung des Kindergeldes für das zweite sowie jedes weitere Kind.
lui
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