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Coop-Sonderangebot: 350 Filialen und 2.500 Mitarbeiter werden abgestoßen

Details des Sanierungsplans für angeschlagenen Einzelhandelskonzern bekanntgeworden / Banken verzichten auf eine Milliarde / Gewerkschaften sollen strammstehen / Ex-Konzernchef Bernd Otto sonnt sich in Südafrika  ■  Von M.Kempe und H.Brandt

Berlin/Kapstadt (dpa/taz) - 2.500 Beschäftigte sollen bei der Sanierung des Coop-Konzerns über die Klinge springen. Und im sonnigen Kapstadt (Südafrika) beteuert der ehemalige Coop-Chef Bernd Otto von seiner dreistöckigen Luxus-Villa mit Doppelgarage und Swimmingpool aus seine Unschuld. Die Affäre um den maroden ehemals gewerkschaftseigenen Einzelhandelskonzern Coop hat am Wochenende ihre Verlierer und ihre Schurken produziert.

Am Rande der Aufsichtsratssitzung wurde am Montag das Sanierungskonzept für die Coop bekannt: Entlassungen, Unternehmensverkäufe, Filialschließungen sowie eine Straffung des Konzerns mit derzeit mehr als 300 Einzelgesellschaften sind die ersten Schritte, mit denen die Krise des überschuldeten Konzerns bewältigt werden soll. Am Sonntag abend waren die rund 140 Gläubigerbanken auf einen teilweisen Forderungsverzicht in Milliardenhöhe eingeschworen worden. Die Alternative zu dieser Strategie wäre, so der Aufsichtsratsvorsitzende und ehemalige Wirtschaftsminister Hans Friederich, nur noch der Konkurs des Unternehmens mit rund 50.000 Beschäftigten gewesen.

In einem Strategiepapier der Sanierungsexperten um Friederichs wird unter dem Titel „Restrukturierung der Unternehmensgruppe Coop“ die Schließung bzw. der Verkauf von 350 kleinen Filialen, „die über mindestens zwei Jahre ihre direkten Kosten nicht verdient haben“, angekündigt. Aus diesem Grund müssen 2.500 Beschäftigte mit Entlassung rechnen, „wobei“, so wird in dem Papier vornehm, aber deutlich formuliert, „hier die vertretenen Gewerkschaften gleichfalls einen Beitrag zu leisten haben“.

Außerdem sollen Unternehmensteile oder Einzelfirmen, die nicht in die geplante Konzerngliederung passen, verkauft werden. Generell ist eine „Senkung der Personalkosten“, der zentralen Verwaltungs- und Mietaufwendungen vorgesehen.

Dabei soll es - nach dem Verständnis der Sanierungsstrategen - zwischen Kapital und Arbeit gerecht zugehen: „Hier werden ergänzend zu den Sanierungsbeiträgen des Bankenkonsortiums erhebliche Verzichtserklärungen von Seiten der Gewerkschaften ... verlangt“. Schließlich seien die Gewerkschaften „seit Jahren maßgeblich im Aufsichtsrat dieses ursprünglich im Gewerkschaftseigentum befindlichen Unternehmens vertreten“.

Der von Friederichs als Coop-Sanierer engagierte Manager Hans Schäfer äußerte am Montag schwere Kritik an der Geschäftspolitik der fristlos entlassenen ehemaligen Führungsmannschaft des Coop Fortsetzung Seite 2

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siehe auch Wirtschaft Seite 8

Konzerns unter dem inzwischen nach Südafrika entfleuchten Berd Otto: „Wie kann man stimmende Ladeninventuren vom Verkaufspersonal und den Ladenleitungen erwarten, wenn auf den obersten Etagen des Unternehmens die „Selbstbedienung wörtlich verstanden wird“. Die Früchte dieses Tuns genießt Otto inzwischen in einem Luxusappartement direkt auf den Fel

sen der exklusiven Bantry Bay an der Atlantikküste bei Kapstadt.

Dort preschen kaum zehn Meter unter der Veranda der Otto -Villa die Wellen aufs Land. Die Aussicht gehört zu den schönsten der Welt. In der Garage steht ein gemieteter Mercedes, beim Nachbarn ein Rolls Royce. Das Appartement vier Schlafzimmer, drei Etagen, eigener Pool, Doppelgarage gehört zum exklusivsten, was in diesem Viertel zu haben ist. Otto hat es schon 1987 für etwa eine Million Rand (800.000 Mark) gekauft.

Auf die Veranda können die Ottos sich allerdings nicht wagen. Das Appartement wird fast rund um die Uhr

von Journalisten belagert. Otto selbst ist zwar zu Hause, doch das Telefon beantwortet seine Frau. Im Hintergrund schreit ein Baby. Zu den Vorwürfen gegen ihren Mann will sie nicht Stellung nehmen. „Damit habe ich nichts zu tun,“ sagt sie. Sie macht sich nur Sorgen um die beiden Kinder - neben dem Säugling eine zweieinhalbjährige Tochter. Sie will nicht sagen, wie lange die Familie in der Ferienwohnung bleiben will. Vermutlich wird Otto auf das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Untersuchung warten. Vorerst ist er jedenfalls sicher. Zwischen Südafrika und der BRD gibt es kein Auslieferungsabkommen.

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