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„Übelkrähe“ for president

Jürgen Wohlrabes steiler Weg nach oben  ■ P O R T R Ä T

Der designierte Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe ist in Berlin kein unbekannter Mann und schon lange kein unbeschriebenes Blatt. Der 52jährige CDU-Abgeordnete, vom SPDler Herbert Wehner einst mit dem Namen „Übelkrähe“ bedacht, ist CDU-Schatzmeister und Filmverleiher. Seine politische Karriere bei der CDU begann 1960, als er zwei Jahre nach seinem Eintritt in die Partei und den RCDS als Kreisvorsitzender der Jungen Union in Berlin Charlottenburg waltete. 1960 war Jürgen Wohlrabe auch der erste AStA -Vorsitzende an der FU. 1965 wurde er Wahlkampfleiter und 1969 bereits stellvertretender Landesvorsitzender seiner Partei, die ihn im gleichen Jahr in den Bundestag schickte. Nach zehn Jahren kehrte er nach Berlin zurück und zog ein Jahr später ins Abgeordnetenhaus ein. Bei dem Abgeordnetenhausmandat ließ es der ehrgeizige Parteirechte nicht bewenden und avancierte 1981 zum Stellvertretenden Landes- und Fraktionsvorsitzenden.

Immer wieder sorgte „Rambo„-Filmverleiher Wohlrabe für negative Schlagzeilen. Schon 1971 vermutete das 'Spandauer Volksblatt‘, der Bundestagsabgeordnete habe dafür gesorgt, daß ein Bundestagsausschuß die CDU-Zeitung 'Berliner Rundschau‘ subventionierte, deren Teilhaber er war. Ein anderes Mal wurde er der Unfallflucht verdächtigt. Sein Name fiel auch im Zusammenhang mit der Flick-Spendenaffäre 1985. 1987 versuchte der CDU-Mann, ein Gericht zu beeinflussen. Beim Prozeß gegen seinen Parteifreund, den Jugendstadtrat Tromp (wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug) hatte er schriftlich beim Richter dagegen protestiert, daß Tromp in Haft genommen worden war. Für dessen Freistellung stellte der Schatzmeister 130.000 DM zur Verfügung. Ermittlungen gegen Wohlrabe selbst wegen Steuerhinterziehungen wurden 1986 eingestellt.

Wenn es um die Medienpolitik ging, hatten er und sein „Jugendfilm-Verleih“ immer die Finger im Spiel. So versuchte der CDU-Politiker Pläne für ein Medienzentrum in der Fasanenstraße zu forcieren, was ihm prompt den Vorwurf des „Filzes“ einbrachte. Er nahm zusammen mit dem CDU -Abgeordneten Legien und dem CDU-Generalsekretär Landowsky Einfluß darauf, daß der Kabelgesetzentwurf von Kultursenator Hassemer erheblich unternehmerfreundlicher gestaltet wurde.

Seine Erfahrungen damit, was Parlamentspräsidenten u.a. zu tun haben, hat der künftige Präsident immerhin schon gemacht. Als der glühende Befürworter von privaten Medien den damaligen AL-Abgeordneten Jürgen Kunze wegen dessen Kritik am Kabelpilotprojekt mit „Drecksau“ anbrüllte, trug ihm das eine Rüge vom Parlamentspräsidenten ein.

RiHe

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