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STUFF STOPFT STUSS

■ Variables Variete in der Filmbühne am Steinplatz

Auf der Reeperbahn nachts um halb eins stellt sich die Frage nicht - in Berlin jedoch kehrt man um diese Zeit häufig schon nach Hause, der Film war wieder nicht besonders, das Essen beim Italiener mäßig aufregend, und die Tischgespräche sind beim Öffnen der Wohnungstür schon vergessen. Das ist die Zeit fürs wahre Fernsehen, ohne Sinn und Zweck. Schnell noch in den alten Edgar-Wallace-Film reinschauen, Blacky Fuchsberger bei der Auflösung bewundern, oder, wenn Nachtgedanken oder Nationalhymne drohend die Sperrstunde ersetzen, bei SAT 1 die Rettung suchen; denn ohne einen Macho-Western oder C- oder D-Pictures aus den Siebzigern lassen die einen nie ins Bett.

Bei dieser anspruchslosen Mal-sehn-was-kommt Erduldungshaltung kann „Stuff - Ein Variete“ zur gleichen Uhrzeit (nachts um halb eins) in der immerhin zentral gelegenen Filmbühne am Steinplatz konkurrieren. Eine knappe Stunde lang vergnügen sie uns mit einem eher weniger als mehr gelungenen Programm. Alles hat den heiteren Charme einer Abitursklasse, ist recht pfuschig zusammengeschustert und birgt dennoch einige charmante Nummern.

So Rik Maverik, der wie die Hälfte der Gruppe schon bei den Berlin Playactors mitgetan hat, sich jetzt aber aufs Schrillste absetzt. Kaum hat er die hochhackigen Stöckel angezogen, da prasseln all die kitschig-pathetischen Klischees des Showbusineß-Transvestiten herunter. Überaus kokett sitzt es sich auf dem Barhocker, die Beine übereinander geschlagen und von Zeit zu Zeit die eigenen Fesseln bewundernd. Ja, er macht das nicht zum Spaß! Schließlich ist die Bühne, der Lichterglanz, die nachfolgende Nummer sein einziges Leben, wie wir aus Filmen, die hinter der Bühne spielen, wissen. Schluchz! Und dann geht's los: die Perücke übergestülpt, in ein unsägliches hellgrünes Abendkleid hineingeschlüpft und im Playbackverfahren die große Diva gemimt, aus den Boxen scheppert die Originalversion von „Downtown“.

Boris Alijinovic, bekannt als Professor Pempey Pah in „The Radio Show“ im Kreise gleichgestimmter Sprachkünstler, verletzt auch jetzt wieder den guten Geschmack. Er spielt in einem trickreichen optischen Arrangement den Kleinwüchsigen, den Liliputaner als größenwahnsinniges Muttersöhnchen. Beschwert sich nörgelnd über seine realistische Freundin, die mit zuckersüßen Lügen geizt. „Meine Mutter hat immer gesagt 'Humphrey Bogart war auch nicht viel größer‘.“ Doch nicht genug, der kleine Mann glaubt noch viel mehr. „Ich kann fliegen!“, tut's, steigt mit knatternden Propellerarmen vom Stühlchen auf und kriegt hoch oben im Imaginären den berühmten Benzinmangel im linken Triebwerk. Tödlicher Absturz aus Tischhöhe beendet die Nummer.

Priscilla B. (singing her hits!) angekündigt, scheut keine Peinlichkeit. Wie viele ihrer Kolleginnen in dem letzten Jahrhundert Bühnengeschichte liebt sie den persönlich -individuellen Touch und erzählt, bis sie endlich in die Hufe kommt, zu den Anfangsakkorden ihres Liedes die Geschichte von einer Freundin, an die sie jetzt denken will, die irgendwo weit weg lebt und sich sowieso gleich als Doppelgängerin entpuppt. Und dann folgt im Stil des Western -Saloon mit gewagt rot-schwarzem Mieder, Federboa und Schutenhut im sicheren Endreim das Lied von dem „Vamp of Savanna/ der hard headed Hanna.“ Und die gab auch ihr Bestes.

Susanne Raubold

„Stuff, an altered Variety“ in English and/und auf Deutsch, freitags, samstags und sonntags bis zum 12. März in der Filmbühne am Steinplatz um 0.30 Uhr.

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