: Genscher ruft Wissenschaftler der Welt
■ Mitarbeit an Chemie-Waffenentwicklung soll „verweigert“ werden / Versteckte Kritik an den USA vor der UNO-Abrüstungskonferenz / „Unverzüglich“ über Kurzstreckenraketen verhandeln
Genf (taz) - Zur „Verweigerung der Mitarbeit an der Entwicklung und Produktion“ chemischer Waffen hat Bundesaußenminister Genscher die „Wissenschaftler dieser Welt“ aufgerufen. Vor der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz erklärte er am Donnerstag, „bei gutem Willen aller Beteiligten“ sei der Abschluß eines Vertrages über ein weltweites, überprüfbares C-Waffenverbot „noch in diesem Jahr möglich“. Ohne ausdrückliche Nennung der USA, jedoch in deutlicher Anspielung auf Positionen des Genfer US -Vertreters aus den vergangenen 15 Monaten, sagte Genscher: „Dies darf nicht die Stunde der Kleinmütigen sein, die den Verhandlungsstoff mit immer neuen technischen und juristischen Problemen belasten und die Verifikationsfragen als unlösbar darstellen.“ Genscher warnte davor, den Kampf gegen chemische Waffen auf Maßnahmen zu beschränken, die ihre Weiterverbreitung verhindern. Solange die C -Waffenarsenale nicht „weltweit eliminiert“ würden, sei der „freiwillige Verzicht auf die Fähigkeit zur chemischen Kriegsführung gerade in Krisengebieten kaum durchsetzbar“. Unabdingbares Instrument für die überprüfung eines weltweiten Verbotes sei die uneingeschränkte Möglichkeit zu kurzfristigen Vor-Ort-Kontrollen chemischer Produktionsanlagen. Dagegen sperren sich bislang die USA.
Im Gegensatz zur Haltung Washingtons und Londons stand auch Genschers Forderung nach „unverzüglicher Aufnahme“ von Ost -West-Verhandlungen über atomare Kurzstreckensysteme. Er „begrüßte“ die Bereitschaft der UdSSR hierzu und erklärte an die Adresse der eigenen Bündnispartner, es gebe „keinen vernünftigen Grund gegen solche Verhandlungen“.
Ausführlich zählte Genscher die Maßnahmen der Bonner Koalition zur Verhinderung künftiger Beteiligungen bundesdeutscher Firmen und Staatsbürger an der Entwicklung von C-Waffen auf. Die Beschlüsse des EG-Ministerrates zur Exportkontrolle von waffenfähigen chemischen Substanzen seien auf seine Initiative hin erfolgt.
Andreas Zumach
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