: Die Fragestellung lautet: Koalition oder Opposition-betr.: Leserinnenbrief "Koalieren - Tolerieren?" von Assi Geese, taz vom 3.3.89
Betr.: Leserinnenbrief „Koalieren - Tolerieren?“ von Assi Geese, taz vom 3.3.89
1. Theoretisch ist Assis Plädoyer bezüglich Tolerierung sehr versiert und dem ist kaum etwas entgegenzuhalten. Aber: meines Erachtens ist das Eintreten für die Option Tolerierung einfach nicht mehr mit dem derzeitigen Stand der Verhandlungen und den Diskussionen in der Halbstadt vereinbar. Zu spät haben sich die BefürworterInnen der Tolerierung öffentlich zu Wort gemeldet. Zu spät auch ist Assi Geese von den Fundi-KoaliererInnen zu den ToleriererInnen gewechselt. Erst im Schulterschluß mit Grünen Panthern, Realos und der Mitte in Richtung Koalition zu gehen und plötzlich zu merken, daß das gar nicht gehen kann, ist praktisch-politisch unvernünftig und letztlich flatterhaft und unglaubwürdig. Das erzeugt nicht nur bei der SPD Desorientierung, sondern auch in breiten Kreisen der AL -Mitgliedschaft.(...)
Die Fragestellung lautet: Koalition oder Opposition: ein drittes ist nicht (mehr) möglich. (...) Wir müssen uns meines Erachtens mit der SPD zur Lösung unserer inhaltlichen Forderungen streiten. Und möglichst viel für die Betroffenen in dieser Stadt durchsetzen.
2. Die Beantwortung der Frage, ob eine Koalition möglich und realistisch ist, hängt weniger von den konservativen Kräften in dieser Stadt ab, sondern vielmehr von der Akzeptanz wesentlicher Forderungen der AL seitens der SPD. (...)
3. Opposition, das heißt die Ablehnung des Koalitionspapiers, geht nur, wenn dies in der Stadt als richtige Entscheidung der AL verstanden werden kann. Dazu wäre eine erhebliche Anstrengung der AL im Sinne von Öffentlichkeitsarbeit nötig. Und: zunächst müßte versucht werden, nachzuverhandeln solange es geht.
4. Es gilt weiterhin, die zwiespältige Stimmungslage in der Stadt zu nutzen und Veränderungen anzustreben. Dies erfordert „realpolitische Radikalität“, das heißt die Entfaltung einer offensiven Haltung gegenüber der SPD. Nur so kann „noch mehr“ durchgesetzt werden. (...)
Eric Burdon läßt in einem Musikstück den schwarzen Protagonisten sagen: „There's got to be a change.“ Wie allzu wahr. Veränderung für die in dieser Stadt Unterdrückten, Entrechteten und Schwachen muß durchgesetzt werden. Gleichzeitig muß sich auch der während der ersten Verhandlungswochen aufgetretene unsolidarische Umgang in der Liste (wieder) verändern.
Renate Döhr, Ökosozialistin in der AL und BHA-Mitglied, Berlin 65
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