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Dix: Jimi ist wieder da

■ Die Reinkarnation des Rock-Gitarren-Halbgottes Jimi Hendrix auf Butterfahrt in Norddeutschland

Tatsächlich gibt es immer noch welche, die seit Jahren in tabaksgebräunten Kaschemmen sitzen, ein Altbier nach dem anderen in ihre weiten Kehlen schütten und gerührt im gewohnten Shuffle-Beat wippen, wenn die mittige Gitarre wimmert. Die Haare sollte man ihnen scheren, die Bärte rasieren und immer noch würden sie dem kläglichen Nachhall einer Musik lauschen, die ursprünglich vom Schicksal und der Trauer der Schwarzen im falschen, dem Neuen Kontinent sang. Nach der Zeit, in der jede Schülerrockband mindestens einen BluesinE im Programm zu führen pflegte, ist diese Musik überlebt. Nach dem Tod Jimi H's kommen nur gedächtnislose Barbaren auf die Idee, daß es in diesem Idiom noch etwas zu sagen gäbe.

James Blood Ulmer ist eine Ausnahme, denn er hat noch. Je mehr man ihn hört, desto mehr wird gewiß, er hat einen Draht ins Jenseits, Orpheus Ulmer und Jimi seine Eurydike im Hades. In seinem Spiel ist der Blues noch so lebendig, daß gewiß jeder Bluesfan keinen Ton versteht.

Es ist die schwarze Erfahrung im weißen Amerika, die die Essenz des Blues ausmacht, es ist das Spiel mit Ornette Coleman (Erfinder des Free-Jazz und später einer Musikkonzeption, die er „harmolodisch“ nennt, die jeder kommentiert, keiner versteht und als deren Gitarrenmeister Ulmer gilt), das das musikalische Rückrat seiner Musik bildet. Schwarz, tiefschwarz, immer, noch in den wildesten Kaskaden blue, so blue und einer gesanglichen Melodik verbunden.

Damit ist die einstige Hoffnung auf die ästhetische Auffrischung der Jazzmusik im weißen Alten Kontinent mittlerweile so erfolgreich, daß er die schöne altmodische Jazzgitarre gegen eine kopf-und seelenlose High-Tech-Gitarre eintauschen konnte und in sein distanziertes Verhältnis zur Neuen Welt mischt sich neuer

dings Heimweh. Von Love und America singt er nun in einem Atemzug und ganz ohne das Fragezeichen, das ihm Anfang der 80er Jahre einen kleinen Hit bescherte.

Seine diesjährige Brot- und Butterfahrt nach Europa bestreitet Ulmer mit seinem eingespielten Rhythmusduett Amin Ali (b) und Calvin Weston (dr) und Ronnie Drayton, einem zweiten Gitarristen. Schon im Namen führt er das Erbe Hendrix‘ fort, die „James Blood Ulmer Blues Experience“ wird neue Wege weisen und denen, die sich vom Blues im Titel betören lassen, die Geigen in den Hades hängen.

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heute, 20.30 im Dix Bremen; Fr. 10.3. Pumpwerk Wilhelmshaven

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