: Portraits: Horst Wagner/Wolfgang Nagel/Norbert Meisner/Peter Mitzscherling/Erich Pätzold
Als es dem SPD-Gewerkschaftsflügel gelang, Horst Wagner das Ticket als Senator für Verkehr, Betriebe und Arbeit zu verschaffen, machten sich bei der AL Sorgen breit. Einen arbeitsmarktförderlichen Ausbau der S-Bahn traute man dem 57jährigen IG-Metall-Chef zwar zu; ob er allerdings den Verzicht auf Straßenneubauten mittragen würde, schien offen. Immerhin hatte Wagner im Sommer im Abgeordnetenhaus sogar einem SPD-Antrag gegen den Bau der Nord-Süd-Straße sein Jawort verweigert; der Gewerkschafter, daran erinnern auch Parteifreunde, stimmte ungültig. „Das, was er unterschreibt, das hält er auch“, versichern dagegen Mitarbeiter aus der Gewerkschaftszentrale. Hier lobt man den rechten Wortführer, Gewerkschaftsfunktionär seit 1948, als „sehr guten Pragmatiker“ und erhofft sich „viele Impulse“ für die Arbeitsmarktpolitik vor dem gelernten Industriekaufmann.
Meinungs- und Entscheidungsfreude sowie eine besonders ausgeprägte Durchsetzungskraft sind ihm auf jeden Fall zu eigen, dem künftigen Bausenator Wolfgang Nagel. Ob der Kampagnenleiter Nagel auch zuhören kann, lassen manche Parteifreunde offen. Die Linken in der Partei zählten den 44jährigen Redakteur nie richtig zu den ihren; dem linken Flügel zugerechnet worden sei er nur, weil er aus dem linken Kreisverband Charlottenburg kommt. Auch innerparteilich heftig angefeindet wurde der Bauexperte für die Plakate, die er als Wahlkampfleiter an die Berliner Straßen stellen ließ, und manchmal regen sich auch bei Bauexperten der AL Zweifel, ob der „Verpackungskünstler“ immer auf die Seriosität seiner Versprechen achtet. Mehr Vertrauen hat die AL in den Kreuzberger Planer Günther Fuderholz, der in Nagels Stab „mitfummeln“ (Fuderholz) soll. Stadtsekretär wird Hans Görter, jetzt Baudirektor in der Baubehörde.
Jetzt hat es der Umwelt- und Verkehrsexperte Norbert Meisner doch noch geschafft, wenn auch nicht in seinen angestammten Ressorts: Er wird nun Finanzsenator. Mit dem 46jährigen Zehlendorfer hat Momper den linken Flügel der Partei in seinem Kabinett verankert. Meisner, seit 1982 stellvertretender SPD-Landesvorsitzender, steht der AL nicht nur in seinem Fachgebiet nahe; er hatte auch stets die rot -grüne Zusammenarbeit betrieben. Meisner ist Doktor der Theologie und ärgert sich öfter darüber, daß ihn gerade Christdemokraten deshalb gerne der Weltfremdheit zeihen; ähnliches sagen ihm zuweilen aber auch Alternative nach. Verwaltungserfahrung konnte er von 1971 bis 1975 als Referent beim Senator für Familie, Jugend und Sport sammeln. Seine ausgefallenen Sprachkenntnisse können dem rot-grünen Senat in der Ära Gorbatschow vielleicht noch zugute kommen: Meisner spricht russisch.
Der 60jährige Sachse Peter Mitzscherling sitzt seit 1980 für die SPD als Bundestagsabgeordneter in Bonn. Spezialisiert hat sich der Diplomkaufmann auf Fragen des Internationalen Handels und Außenwirtschaftsbeziehungen. Bevor der Wirtschaftsexperte sich bundespolitisch engagierte, war er von 1974 bis 1980 Senatsdirektor für Arbeit in Berlin. Davor leitete er im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die Abteilung DDR und östliche Industrieländer. Der in SPD-Kreisen hochgeschätzte Mann gilt wegen seiner Spezialgebiete als prädestiniert zur Bewältigung der Wirtschaftsprobleme einer Stadt an der Schnittstelle zwischen Ost und West. Als Momper bei seinen „Stadtgesprächen“ unters Berliner Volk ging, versuchte der künftige Wirtschaftssenator die beunruhigte Bevölkerung davon zu überzeugen, daß auch einem rot-grünen Senat die Wirtschaftsunternehmen nicht weglaufen würden.
Der 58jährige Thüringer Erich Pätzold, designierter Innensenator, war auch schon als Finanzsenator im Gespräch. Eigentlich wollte sich der Parteirechte nach seinen Aktivitäten in der Parlamentarischen Kontrollkommission für den Verfassungsschutz in der letzten Legislaturperiode aus seinem langen Politikerleben zurückziehen. Pätzold hat bereits Senatserfahrungen. Von 1973 bis 1981 war er Senator für Gesundheit und Umweltschutz, von 1970 bis 1973 arbeitete er als Senatsdirektor in der Finanzverwaltung. Von 1967 bis 1984 war er im Landesvorstand der SPD. Erich Pätzold prangerte in der letzten Zeit im Innenausschuß die Übergriffe der Polizei auf Demonstranten und Presse an und wurde zum allgemeinen Erstaunen ein Habitue des AL -Delegiertenrats. Der Mann mit den weißen Schläfen blühte immer mehr auf, als sich die Möglichkeiten zu einer rot -grünen Koalition anbahnten.
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