: Beirut: Bomben auf Wohnviertel
Eskalation im libanesischen Hafenkrieg / 32 Tote und 145 Verletzte / Drusenmiliz schlägt zurück ■ Aus Beirut Petra Groll
Im Libanon droht ein neuer Ausbruch des Bürgerkriegs. Bei den schwersten Kämpfen zwischen Christen und Moslems seit 1985 kamen gestern in Beirut 32 Menschen ums Leben, 145 wurden verletzt. Schauplatz der militärischen Konfrontation, eine Folge des sogenannten „Hafenkrieges“, waren dichtbesiedelte Wohnviertel der libanesischen Hauptstadt.
An der „Unesco-Kreuzung“ im moslemischen Westteil Beiruts herrschte am Dienstag morgen das übliche Verkehrschaos der Rushhour. Es gab kein Vor oder Zurück, als die schweren 120 -mm-Geschosse einschlugen. Opfer waren Angestellte auf dem Weg zur Arbeit, Schulkinder in vollbesetzten Autos. Bomben fielen auf die dichtbesiedelten Viertel Mazraa, Mar Elias und Verdun, auf die Slums von Ouzai, wo „unsere Papphütten wie die Kartenhäuser zusammenklappten“. Ein Anwohner klagt mit bleichem Gesicht, er habe den Rumpf des Körpers seiner Nachbarin aus den Trümmern gezerrt. Allah allein wisse, wo der Kopf geblieben sei.
Die Opfer des knapp eine halbe Stunde dauernden
Überraschungsangriffs gehen auf das Konto von General Michel Aoun, seines Zeichens Chef der militärischen
Übergangsregierung im christlichen Ost-Beirut. Dem General ist offensichtlich jedes Mittel recht, seine Forderung nach Schließung aller illegalen Häfen im Libanon durchzusetzen. Die moslemischen Oppositionspolitiker hatten sich standhaft geweigert, diesem Ansinnen Folge zu leisten und auf eine de -facto-See- und Luftblockade der libanesischen Küste mit
sporadischen Bombardements der Gewässer des Beiruter
Fortsetzung Seite 2
Hafens geantwortet. Dieser steht unter der Kontrolle Aouns. Nach dem Bombardement von West-Beirut schlug die Drusenmiliz PSP gegen Mittag an der Front von Souk el Gharb zurück und attackierte in den Bergen oberhalb von Ostbeirut christliches Gebiet. Die Kämpfe zwischen christlichen Einheiten der Armee auf der einen und moslemischen Milizen sowie moslemischen Teilen der Armee auf der anderen Seite dehnten sich im Laufe des Tages auf die Haupstadt und andere Gebiete des Landes aus, wo sich die Truppen der beiden rivalisierenden Regierungen gegenüberstehen.
Mit dieser Eskalation droht dem Libanon ein neuer, großer Ausbruch des Bürgerkrieges entlang allen „traditionellen“ Fronten, obgleich das ungefähre Gleichgewicht der Kräfte eine solche Überlegung eigentlich verbieten müßte. Nachdem am Nachmittag auch die Verbindungsstraße von Beirut in die syrische Hauptstadt bombardiert wurde, wird nun mit Spannung die Reaktion der mit der moslemischen Opposition verbündeten Syrer erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen