: Extra-Auslese für's Bilinguale
■ Über 250 Anmeldungen für das geplante bilinguale Gymnasium / Nur 75 davon dürfen in die speziellen Orientierungs-Klassen mit Englisch-Intensiv-Unterricht: „leistungsorientierte Auswahl“ unter Zehnjährigen
Das geplante bilinguale Gymnasium, in dem ein Teil der Fächer auf englisch unterrichtet werden soll, ist ein „Angebot an jeden“, teilt der Bremer Senat noch unter dem Datum vom 15.3. mit: „Jeder Fünftklässler kann die künftig auf den zweisprachlichen Bildungsgang vorbereitende Orientierungsstufe am Gymnasium an der Hermann Böse-Straße besuchen“. Während der Orientierungsstufe, in der Englisch mit 7 Stunden besonderes Hauptfach ist, sollte festgestellt werden, ob die Sprachkompetenz ausreicht - so hatte der Bildungssenator allen Eltern schriftlich mitgeteilt.
Noch vor zwei Wochen hat der zuständige Behördenplaner Dr. Stoldt auf einer Versammlung ca. 500 interessierten Eltern versichert, jedes Kind würde in die Orientierungsstufe aufgenommen. Anfang der Woche wurde dann die Notbremse gezogen: In den nächsten Tagen werden die Eltern erfahren, daß das nicht so sein wird. Im Gegenteil: Durch eine „leistungsorientierte Auswahl“ sollen unter den 268 Grundschul-Kindern, die von ihren Eltern zum Bilingualen angemeldet wurden, die 75 geeigneten herausgesiebt werden. Nach der Orientierungsstufe wird noch einmal ausgesondert: Nur 50 sollen in der 7. Klasse richtig bilingual beginnen können. Die Behörde will die „besten, für diesen speziellen Bildungsgang besonders
befähigten ausgewählen“. Nach welchen Kriterien dies bei den Zehnjährigen passieren soll, kann heute noch niemand in der Behörde sagen. Aber daß ausgewählt werden muß, ist klar, nachdem überraschend 268 Anmeldungen eintrafen. Überrascht ist die Behörde auch davon, daß von den 268 Anmeldungen nur 50 aus Schwachhausen kommen; aus Bremen-Nord wollen 23 Eltern trotz des weiten Weges ihre Kin
der schicken, aus Walle/Findorff 29, aus Obervieland 22, aus der östlichen Vorstadt/Hastedt 28, aus Sebaldsbrück 20. Es gibt sogar einzelne Doppelanmeldungen in der neuen „Gesamtschule Mitte“ und im Bilingualen - 'nur nicht Stufenzentrum‘ scheint die Tendenz zu sein.
Wenn alle Kinder wie versprochen in die Vorklassen für das Bilinguale kommen könnten, würde es eine Orientierungsstufe erster
und zweiter Klasse geben - ein Widerspruch in sich. Langfristig würde ein derartig breiter gymnasialer Zweig die Stufenzentren bedrohen - schon jetzt sind an einigen der 35 Schulzentren die Gy-Klasse schon kleiner als die Norm-Größe. Wenn z.B. von 18 SchülerInnen vier zum Bilingualen abgezogen werden, sind damit die Gy-Klassen gefährdet.
„Da würde das Elternrecht der vier das Elternrecht der 14 be
schneiden“, meint die Sprecherin des Bremer Elternbeirates, Marianne Isenberg, zu der absehbaren Grundsatzdebatte. Eine Selektion durch Prüfung vor der Orientierungsstufe hält sie allerdings für widersinnig, ein Losverfahren wäre sinnvoller. „Viele sind mit der Situation vor Ort unzufrieden“, erklärt sich Isenberg den großen Zulauf. Daß hier ein durchgängiges Gymnasium angeboten wird, in dem nicht Latein Pflichtfach ist, sondern eine moderne Sprache, scheint für die Eltern entscheidend zu sein. Im Durchschnitt besuchen ca. 1500 Bremer SchülerInnen eines Jahrgangs in der Sekundarstufe II den gymnasialen Zweig, die Bereitschaft, das eigene Kind in eine noch gar nicht existierende Schule anzumelden und dabei z.T. weite Wege in Kauf zu nehmen, ist ein Gradmesser für die Unzufriedenheit unter den Eltern, die ihre Kinder für abi-verdächtig halten.
Der Bildungssenator gibt sich unbeeindruckt. Wenn das eine Abstimmung sei, dann hätten 95% der Eltern für das Bremer Schulsystem gestimmt, meinte Franke zur taz. Die Auslese vor der 5. Klasse sei schlicht notwendig, da das bilinguale Gymnasium sehr hohe Ansprüche stellt, die nur Kinder mit ausgesprochener Begabung erfüllen könnten - eben eine Elite. „Dazu stehe ich“, meinte Franke.
K.W.
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