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Guillotine wurde arbeitslos

■ Nach Aufhebung der Todesstrafe in Berlin wird das Hinrichtungsgerät überflüssig / Alternative Liste verbucht die alliierte Entscheidung als Erfolg

Die Tageszeitung 'Die Welt‘ wußte es gestern ganz genau: einem Programmpunkt aus den rot-grünen Koalitionsvereinbarungen „von hoher Brisanz“ würden die Amerikaner nie zustimmen. Es ging um die Abschaffung der Todesstrafe.

Doch just die wurde am Dienstag von der Alliierten Kommandatur mittels einer „Berlin Komandatura Order“ (BK/O) aufgehoben. Tatsächlich hatten sich besonders die Amerikaner mit den immer wieder mal erhobenen Forderungen nach der Abschaffung der Todesstrafe schwergetan. Schließlich existiert die Todesstrafe nicht nur im eigenen Lande weiter

-einige US-Bundesstaaten hatten sie erst in letzter Zeit eingeführt.

„Ein erster Erfolg für Rot-Grün“, freute sich die AL -Abgeordnete und Status-Expertin Renate Künast. Frau Künast wertete die unerwartete Anordnung als Zeichen eines „politischen Entgegenkommens“ der Alliierten. Die AL -Fraktion hatte im Oktober 1985 einen Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe eingebracht. Mit einigen Formulierungsänderungen, die CDU und SPD haben wollten, wurde der AL-Antrag noch in der gleichen Sitzung des Abgeordnetenhauses zum Vier-Parteien-Antrag. Er besagte, daß geprüft werden solle, inwieweit das gesamte Alliierte Recht überarbeitet werden könne. Insbesondere sollte geprüft werden, ob nicht die Todesstrafe abgeschafft werden könne.

In Berlin erließen die drei Sektorkommandanten am 15. Oktober 1951 die Verordnung Nr. 511, die vor allem den Schutz der Alliierten dienen sollten. Auch wer „strafbare Handlungen gegen die Interessen der Besatzung“ beging, konnte seitdem mit dem Tode bestraft werden. Dazu zählen Spionage, unbefugte Nachrichtenübermittlung und der Angriff auf einen Angehörigen der Streitkräfte mit Todesfolge oder fortdauernder Körperbeschädigung. 1968 wurde der Katalog sogar noch erweitert: die Todestrafe konnte auch bei Behinderung, Gefährdung oder Verzögerung des Transitverkehrs verhängt werden.

Auf der Grundlage des Besatzungsrechts wurden nach Kriegsende vier Todesurteile von einem britischen Militärgericht vollstreckt. Als 1949 zum letzten Mal in Berlin die Todesstrafe an einem Sexualmörder vollstreckt wurde, geschah dies auf der Basis des alten deutschen Strafrechts.

Mit der Aufhebung des legalen Tötens per BK/O ist allerdings noch längst nicht die Verhängung der Todesstrafe in der Bundesrepublik aufgehoben. Im NATO-Truppenstatut ist weiterhin vorgesehen, daß ein Militärgericht die Angehörigen seiner Streitkräfte zum Tode verurteilten kann. Theoretisch denkbar wäre also, daß diese Urteile in einer westdeutschen Stadt ausgeprochen werden. Von Juristenkreisen wird in der letzten Zeit angezweifelt, ob diese Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz durften beispielsweise deutsche Richter, die auf das Grundgesetz vereidigt sind, in Berlin nicht nach alliiertem Recht die Todesstrafe verhängen.

Als Erinnerung an die Zeiten, in der in Berlin theoretisch jemand wegen des Besitzes eines langen Küchenmessers verurteilt werden konnte, wird eine Guillotine erhalten bleiben. Zur Zeit steht sie in einem Keller des Gefängnisses von Moabit. Demnächst soll sie in einem Museum zu besichtigen sein.

RiHe

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