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Rechtsradikale vor der Haustür

■ Rechtsextremistische Tendenzen an der Fritz-Karsen-Schule in Britz beunruhigen Eltern und Lehrer / Diskussionsveranstaltung in der Aula unter Polizeischutz / Ein Schüler bekennt vor 300 Menschen: „Ich habe einen großen Ausländerhaß“ und erntet Applaus

„Ich habe einen großen Ausländerhaß!“ ruft der etwa 16 Jahre alte Schüler und bekennt dazu: „Ich bin rechts. Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein. Amis, Türken, Araber, das ist für mich dasselbe. Die sollen raus hier. Das ist mein Deutschland.“ Das Statement des jungen Rechtsradikalen fällt nicht etwa auf einer Hinterzimmer-Versammlung der NPD, sondern am Dienstag abend vor über 300 Schülern und Lehrern der Fritz-Karsen-Gesamtschule in Britz. Thema der von der Polizei mit mehreren Mannschaftswagen geschützten Veranstaltung: Rechtsextremistische Tendenzen innerhalb der Schülerschaft.

An der Lehrstalt sagen sich rechte Pennäler mittlerweile mit dem Hitlergruß guten Tag, da macht ein rechtsradikaler Schüler Fotos von linken Lehrern und Schülern und leitet sie nach eigenen Angaben an Neonazis weiter, da bekommen politisch engagierte Jugendliche Prügel angedroht und der Direktor läßt eine Elternversammlung ausfallen, weil vor den Toren des Schulgeländes rund 50 Nazis aufmarschieren. Der rechte Jungredner erntet am Dienstag abend immerhin von 30 Schülern Applaus. „Als ich heute abend herkommen wollte, standen zehn bis 15 Nazis vor meiner Haustür“, berichtet eine 16jährige Schülerin den entsetzten Zuhörern mit ängstlicher Stimme, „ich fühl‘ mich nicht mehr sicher, denn ich bin bedroht worden!“ Vor allem in der Mittelstufe stößt das rechte Gedankengut auf Resonanz - das Thema Nationalsozialismus wird erst ab der zehnten Klasse behandelt. Seit die „Republikaner“ im Abgeordnetenhaus sitzen, „treten die Rechtsradikalen hier immer frecher auf“, formuliert eine Schülerin. Die Reps erzielten mit über zehn Prozent in Neukölln ihr bestes Wahlergebnis.

Auf die ungeheuerlichen Vorfälle hat die Schulleitung in Britz bisher entweder mit Schweigen oder Herunterspielen der Vorfälle reagiert. Auch am Dienstag abend sorgte sich Direktor Hinkel vor allem um „den Ruf der Schule“. Den haben seiner Ansicht nach aber nicht die Rechtsradikalen geschädigt, sondern die Neuköllner „Falken“, - die Sozialistische Jugend machte auf die Vorfälle per Flugblatt aufmerksam. Hinkels Sorge: „Hoffentlich werden unsere siebten Klassen noch voll.“ Über die „Vogel-Strauß„-Politik der Schulleitung sind viele Eltern sauer. Eine Mutter, die zwei Kinder auf der Schule hat: „Die haben uns überhaupt nicht informiert, was da los ist. In vielen Klassen, wo die Rechten sitzen, haben Schüler Angst, den Mund aufzumachen.“ Nicht ohne Grund: Ab 14 Uhr nachmittags werden die U -Bahnstationen der Linie 7 von Britz bis nach Rudow von jugendlichen Skins und Rechtsradikalen „kontrolliert“. Wer einen Aufnäher a la „Nazis raus“ an der Jacke trägt, wird angepöbelt, - oder mit Prügel bedroht. Die „Britzer Befreiungsfront“, - ein Haufen Neuköllner Jungnazis kündigte jetzt per Flugblatt an, daß „keine Schule in Britz“ mehr vor ihnen sicher sei. Der Staatsschutz ermittelt jetzt wegen des Drohbriefes, der an die „Falken“ adressiert war.

Die Forderung nach ausführlicherer Behandlung und Analyse des deutschen Faschismus im Unterricht wurde auf der Veranstaltung zwar erhoben, jedoch von der Schulleitung nicht diskutiert. Eine Lehrerin berichtete, welchen Stellenwert das Thema Rechtsextremismus trotz der aktuellen Ereignisse bei ihren Vorgesetzten hat: Weil sie länger als im Unterrichtsplan vorgesehen mit ihren Schülern über Nationalsozialismus arbeitete, warf ihr der Mittelstufenleiter vor, „nicht rahmenplankonform“ zu handeln.

ccm

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