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Europas Reinheitsgebot

■ Europaparlament und das Ausländerwahlrecht

Zweihundert Jahre nach der Menschenrechtserklärung, 40 Jahre nach Unterzeichnung des Grundgesetzes wird in dieser Republik schon als Fortschritt deklariert, daß ein Dreiklassenwahlrecht wiedereingeführt wird: „Wir Deutschen“ dürfen wählen, „wir Europäer“ dürfen es auf kommunaler Ebene, und „die anderen“, die als Wanderarbeiter oder Flüchtlinge nach Europa gespült werden - sie dürfen nur ihre Steuerklasse wählen.

Am Mittwoch schloß sich das Europaparlament gegen den Widerstand der CSU-Abgeordneten dem Kommissionsvorschlag für ein Kommunalwahlrecht der EG-Ausländer an. Europas vom so freizügigen Binnenmarkt versprengte Bürger dürften nicht entrechtet werden. Eine Regelung, die allen ohne Ansehen der Geburt das Wahlrecht zugestanden hätte, war in diesem Parlament nicht durchzusetzen.

Der westeuropäische Supermarkt lockt dabei nicht nur mit Sonderangeboten für die einen und sozialen Dumpingpreisen für die anderen - er liefert zugleich „corporate identity“. In Symposien und Sonntagsreden wird eine „europäische Identität“ entdeckt. Historiker schreiben an einer „europäischen Geschichte“, als ob es sie je gegeben hätte, oder sie versuchen - noch schlauer! - alles Barbarische des alten Kontinents als „asiatische Tat“ zu entsorgen. Während der Strukturwandel im Vorfeld des Binnenmarktes nicht nur in Berlin, Frankfurt und Kärnten zu Verunsicherungen führt, liefert Europa gleichzeitig eine Ersatzidentität gegen die „Barbaren“ draußen vor den Grenzen und - warum nicht - gegen deren fünfte Kolonne im Inland.

Alexander Smoltczyk

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