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Vaclav Havel bleibt in Haft

Urteil gegen Havel im Revisionsprozeß weitgehend bestätigt / Proteste im Gerichtsgebäude / Internationale Solidaritätskampagnen in den osteuropäischen Ländern  ■  Von Matthias Geis

Berlin (taz) - Die internationalen Proteste und die grenzüberschreitende Solidaritätsbewegung osteuropäischer Oppositioneller für den tschechischen Dramatiker und Charta -Mitbegründer Vaclav Havel sind erneut an den Richtern des Prager Stadtgerichts abgeprallt. Im Revisionsverfahren verurteilten sie den Prager Oppositionellen zu acht Monate Haft ohne Bewährung. Damit bestätigten sie im wesentlichen das erstinstanzliche Urteil vom 21.Februar dieses Jahres, das auf neun Monate unter verschärften Haftbedingungen lautete. Die Abmilderung der Haftbedingungen und die einmonatige Verkürzung begründete das Gericht - streng formalistisch - mit dem Weg fall des Anklagepunktes „Behin derung eines Polizeibeamten im Dienst“.

Weiter in Haft bleibt der international anerkannte Schriftsteller wegen Aufwiegelung der Öffentlichkeit. Havel hatte auf den Protestdemonstrationen zum 20. Jahrestag der Selbstverbrennung Jan Pallachs Blumen am Denkmal des Heiligen Wenzel niedergelegt.

Die Revisionsverhandlung, die auf Betreiben sowohl von Verwandten Havels als auch der Staatsanwaltschaft ungewöhnlich schnell anberaumt wurde, war erneut von Protesten begleitet. Die Bekanntgabe des Urteils wurde von den etwa 150 Menschen im Gerichtsgebäude mit Pfiffen und Buhrufen aufgenommen. Zum Prozeß selbst waren nur die Angehörigen Havels und einige Prozeßbeobachter zugelassen. Für den Abend waren in Prag weitere Protestveranstaltungen erwartet worden. - Während die Prager Führung mit der Urteilsbestätigung erneut ihre Entschlossenheit deutlich macht, an ihrem seit Ende 88 verschärften Repressionskurs festzuhalten, hat die jüngste Prozeßwelle eine bislang ungekannte Solidaritätsbewegung innerhalb der sozialistischen Nachbarländer ausgelöst.

Die ungarische „Liga freier Demokraten“ hat auf ihrem landesweiten Treffen am Sonntag in Budapest den gestrigen Verhandlungstag zum Solidaritätstag für Havel erklärt. Anläßlich der gestrigen Urteilsverkündung hatte die unabhängige Jugendorganisation „Fides“ mehrere Demonstrationen veranstaltet. Ein Treffen zwischen Parteichef Grosz und seinem Prager Kollegen Jakes hatte scharfe Reaktionen der Opposition zur Folge.

In Polen befinden sich seit Montag dreizehn Oppositionelle in einem einwöchigen Hungerstreik für „die Freilassung der Gewissensgefangenen in der Tschechoslowakei“. Protestresolutionen verabschiedeten auch der im letzten Jahr wiederzugelassene polnische Pen-Klub, die Gruppe „Freiheit und Frieden“ sowie andere oppositionelle Organisationen. Selbst Ministerpräsident Rakowski bekundete mit dem Besuch eines Theaterstücks von Havel in Warschau seinen - leider nur stillen - Protest. Fortsetzung Seite 2

Am meisten dürfte die Solidarisierungskampagne in der DDR überraschen. Während heute Polen und Ungarn weitgehend risikolos protestieren können, müssen die DDR-Gruppen mit Repressionen nach Prager Muster rechnen. Das hielt sie jedoch nicht davon ab, am Sonntag einen landesweiten Protesttag mit Aktionen, Gedenkgottesdiensten und Havel -Lesungen in über 15 Städten zu veranstalten. Eine gemeinsame Solidaritätserklärung wurde von 171 Friedens- und Umweltgruppen unterzeichnet.

Auch wenn das heutige Urteil gegen Havel und die geplanten Prozesse gegen weitere Regimekritiker von diesen Kampagnen unbeeindruckt scheinen, wird sich die Prager Repressionslinie kaum halten lassen.

Sie stärkt einen mitteleuropäischen Oppositionszusammenhang, der kaum zerschlagen werden kann.

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