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ICC: Viel Geld für internationale Emotionen

■ Die Ausstellungs-Messe-Kongress-GmbH (AMK) setzt nach zehnjähriger ICC-Geschichte weiterhin auf den internationalen Markt / Pluralismus über das Verwaltungsgericht / Schwarze Schafe und andere skurrile Kongreßler sind stets dabei / 4.500 Kongresse in zehn Jahren und 1,8 Millionen Tagungsteilnehmer

„Im ICC kann theoretisch jede Gruppierung, jede Partei oder Organisation tagen. Allerdings darf sie nicht verfassungsfeindlich sein.“ Wolfgang Rogall, Pressereferent der AMK, hat kaum Bauchschmerzen, wenn es um Kongreß -Vielfalt in dem „Raumschiff“ geht. Für die Genehmigung springt im Zweifelsfall ein Verwaltungsgericht ein. So setzten die REPs ihr Treffen in dem Riesengebäude genauso durch wie die Mun-Sekte. Seit 1979 sind 1,8 Millionen TeilnehmerInnen bei 4.500 Tagungen in dem Congress-Tempel gesichtet worden. Kein Wunder, daß auch „schwarze Schafe“ darunter waren und sind. Pluralismus nennt sich sowas. Dazu gehören allerdings auch so skurrile Meetings wie die der Tiefkälteforscher, Tupperware-Produzenten, der Betonbauer und Wella-Frisuren-Präsentanten.

Hauptsache ist und bleibt im Congress-Geschäft aber, daß die Kohle stimmt. „Unsere Preise sind nicht niedrig, sie sind angemessen hoch“, meint denn auch der Vorsitzende der Geschäftsführung der AMK, Manfred Busche. Das ICC ist also nichts für Kleine-Leute-Kongresse, für Berliner Kleingärtner -Meetings oder Hausbesetzer-Tagungen. Die müssen schön in ihren Kneipen oder im Arbeitsschutzmuseum bleiben.

Die Hälfte aller ICC-Veranstaltungen findet im internationalen Rahmen statt, 15 Prozent sind im nationalen Zusammenhang angesiedelt. Die Berliner zu billigen Tarifen ins ICC zu bringen ist denn auch bisher kaum Strategie der AMK. Die lanciert vielmehr das alte Arbeitsplatz-Argument: „Der Kongreßbetrieb im ICC sichert durch Aufträge und Leistungen 1.400 Arbeitsplätze in der Stadt“, sagt Geschäftsführer Busche. Und da spielen die Einheimischen als Kongreßausrichter eben eine untergeordnete Rolle. Dafür hat aber die regionale Wirtschaft laut Busche ordentlich vom ICC -Betrieb profitiert. Die 626.000 TagungsteilnehmerInnen hätten in den zehn Jahren Kongreßgeschichte 700.000 Millionen Mark in der Stadt gelassen. Fazit: Was die AMK braucht sind die großen Veranstaltungen, wie die Tagung der Weltbank im letzten Jahr (Helmut Kohl: „Die bedeutenste Veranstaltung der Nachkriegszeit“). Die Groß-Kongresse bringen naturgemäß das große Geld. Um die Ausrichtung solcher Super-Kongresse kloppen sich denn auch die internationalen Anbieter. Paris, Brüssel oder London freuen sich ebenfalls über die Besucher aus aller Welt und liegen noch weit vor Berlin, das zur Zeit die Position 6 im Welt -Maßstab belegt.

Um Berlin als Kongreßstadt stärker darzustellen und damit die Position des ICC in der Konkurrenz auszubauen, haben sich die Unternehmen der Berliner Kongreßwirtschaft zusammen mit FU und TU zu einer „Kongreß-Initiative Berlin“ zusammengetan. Die AMK rechnet in Zukunft mit verstärktem Druck aus den USA und aus Fernost und will mit dieser Aktion Schwung in den Konkurrenz-Laden bringen: „Wie Studien über den Kongreßmarkt ergeben haben, spielt bei der Auswahl einer Tagungsstätte durch einen Kongreßveranstalter die emotionale Beziehung zur Kongreßstadt eine entscheidende Rolle. Deswegen werden künftig die Berliner Partner die Attraktivität und das Angebot der Weltstadt Berlin bei gemeinsamen Präsentationen und Werbeaktionen noch stärker in den Vordergrund rücken und somit auch die Akquisition für das ICC Berlin fördern“, heißt es von seiten der AMK. So ist Busche auch fürchterlich stolz darauf, daß die Weltbank -Tagung ohne die große (emotionale?) Irritation über die Bühne ging. Zur weiteren emotionalen Attraktion hofft die AMK auch auf ein neues Hotel in nächster Nähe zum ICC. Nein, keine Luxus-Herberge sähe Busche gerne, nur ein „leistungsfähgiges Hotel“ würde der AMK-Geschäftsführer in der Umgebung des Congreß-Zentrums sehen. Damit die Besucher nicht mehr so lang unterwegs sind.

Busche ist auch besonders stolz darauf, daß die Verluste der ICC-Veranstaltungen seit 1979 (50 Millionen) auf zehn Millionen im Jahr 1988 zurückgefahren werden konnten. Die Minus-Zahlen übernimmt übrigens nach wie vor der Senat.

Am kommenden Sonntag will die AMK anläßlich des zehnjährigen Geburtstages des ICC eine große Geburtstagsfeier veranstalten. Dann soll in den Räumen „eine Menge Spaß, Unterhaltung und Information für Groß und Klein“ geboten werden, sagt AMK-Geschäftfsführer Hellstedt.

Theo Düttmann

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