: Rotarmisten tanzen den Break...
...auf den Champs-Elysees / Revolutions-Parade im Stil eines Videoclips geplant ■ Von Alexander Smoltczyk
Die Vöglein blühen, die Blümchen zwitschern - es wird Frühling, Frühling in Paris. Doch neben allerlei Primeln und Krokussen brütet die frühe Wärme auch manch unreifen Gedanken aus. So etwa jene Jubelparade, mit der am 14.Juli, dem 14.Juli 1989, auf den Champs-Elysees die Revolution befleckt werden soll. Glaubt man der zum Mitteilungsblatt des Elysee-Palasts heruntergekommenen Tageszeitung 'Liberation‘, so bahnt sich in den Laboratorien der Festspielleiter ein Projekt an, das radikaler mit aller Vergangenheit bricht, als einst der scharfe Biß der Guillotine: Um nichts Geringeres geht es, als 200 Jahre postrevolutionärer Geschichte auf den Flash eines Videoclips zu verschmelzen, ja das Wahre, Schöne und Gute aller Stämme und Nationen zu einem universellen Wert und im Bilde gerinnen zu lassen.
Aber der Reihe nach. Die Idee zu dem Umzug auf der Pariser Nobelstraße verdankt die Welt Monsieur Jean-Paul Goude, seines Zeichens, wie Libe schreibt, „Artist-Graphist-Poet“, der seine Poesie vor allem in den Versen „Secouez-la, secouez-la“ abschlug, auf deutsch nur annäherungsweise zu übersetzen als „schüttelt sie, schüttelt sie!“ (womit die bauchig-geriffelte Flasche eines Orangensaftgetränks gemeint ist, für das Goude einen Werbespot kreierte).
Diesem Meister der Feder fiel es durch einen heroischen Moment von Bicentenaire-Minister Jack Lang zu, die offizielle Parade für die Revolutionsfeier zu organisieren. So wird der Welt, wenn nicht noch eine Revolution geschieht, am 14.Juli ein Ringelreihen der Beliebigkeiten vorgeführt: kulturrevolutionäre Rotgardisten aus Schanghai tanzen den Breakdance, gefolgt von brasilianischen Farbigen, die Jakobinermützen und der Hermelin von Louis XVI. schmücken all das, um die „Menschenrechte“ angemessen zu zelebrieren. Denn, da diese universell und allgemeingültig seien, dürften sie auch egal wie und von wem gefeiert werden...: „Ein multikulturelles und vielstämmiges Treffen“ soll es geben, meint Goude. Und er lädt britische Horseguards nach Paris, die von französischen Feuerwehrleuten benäßt werden, möchte Tina Turner auf einer gigantischen Trommel tanzen lassen, die von Brasilianern getragen wird, läßt italienische Fahnenschwinger die Trikolore wirbeln und deckt die Chöre der Roten Armee mit Scheinwerfern und Kunstschnee ein. Steeldrummer aus der Bronx werden Lokomotivengedröhn imitieren müssen, um dem Sinnbild Frankreichs, der blind vorwärtsstürmenden Dampflok aus Zolas Roman La Bete humaine, den letzten Kick zu geben.
Das revolutionär-ganzheitliche Erlebnis aus Lichteffekten, Trommeln, Schaum- und Nebelwogen endet in der endlich auf den Begriff gebrachten Symbiose von französischer Avantgarde und Tradition: Ein Hologramm wird auf einen Wasservorhang projiziert, und durch das technologisch gemeisterte Zusammenspiel der Elemente Licht und Wasser werden Gestalten sichtbar, die - nun was wohl? - die „Marseillaise“ skandieren. Merci, Monsieur le President! Danke, daß durch diese Parade das Gründungsereignis der Moderne in Form eines kulturindustriellen Passepartouts endlich zu Grabe getragen wird.
P.S.: Dankbar dürfen wir auch bemerken, daß gleichfalls der Stamm der Deutschen, oder, wie Goude präzisiert, der „Teutonen“, geladen wurde: Auf ein Elektromobil montiert, schwenkt eine blonde Walküre einen winzigen Seppelhosenträger in den Armen, und beide singen den Menschenrechten zum Lobpreis Die Tiroler sind so lustig. Secouez-la, secouez-la!
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