Vorne zu und hinten offen

■ SV Werder Bremen spielte den Nord-Rivalen HSV an die Tribüne des Volksparkes Sieger nicht nur nach Törchen, sondern auch Ecken, Schüssen & Chancen

Nachdem der genesene Gunnar Sauer einige Wochen die Werder -Abwehr destabilisiert hatte, übernahm Rune Bratseth wieder den Libero-Part und gleich war für den HSV das Tor des Gegners in unerreichbare Ferne gerückt.

Nachdem Werder die Meisterschaft verspielt hat und in Mailand weggepfiffen worden war, nutzte die Mannschaft ihre letzte Chance, in diesem Jahr wenigstens einen Pokal im Vereinsheim unterzubringen. Diese Aussicht wirkte wohl motivierend, denn die Firma Werder mit ihren hochbezahlten Angestellten war im Nord-Duell kaum wiederzuerkennen.

Borowka spielte zielstrebig Ball und Beins Bein; Jägersmann

Jonny Otten ließ den Polen Furtok nur selten zum Slalom ansetzen; der Ostfriese Eilts nutze seine Chance aufs Prächtigste und Hermann wußte endlich wieder in jeder Szene, was er tat.

Thomas Wolter flügelflitzte und bananenflankte wie es sein Gegenüber Kaltz vor Jahren auch nicht besser konnte; Ordenewitz rannte sich wieder in Form, Riedle suchte das Tor wie der Spürhund das Kaninchen, Käpt'n Votava war ein Vorbild an fußballerisch gefordertem Kampfesmut. Allein Neubarth stakste noch storchig den guten alten Zeiten hinterher.

Folgerichtig war vom HSV nicht viel zu sehen. Manni Kaltz mußte in seinem 557. Spiel miter

leben, wie seine Stürmerkollegen den Ball kaum in Tornähe brachten, während er und seine Partner in der Defensive alles taten, um Werder derselben nahezubringen. So resultierte das 1:0 aus einem Fehler, den Trainer wohl katastrophal nennen. Ein HSV'ler spielte dem Bayern Riedle vor die Füße, der bedankte sich und semmelte den Ball unter die Latte, von der er auf die Grasnarbe flipperte und dabei deutlich die Torlinie hinterflog.

Trainer Reimann muß in der Pause tüchtig geschimpft haben, denn in der 2. Halbzeit sah es kurzfristig so aus, als seien elf neue Männer angetreten, obwohl nur zwei ausgewechselt worden waren. Aber der Elan verpuffte

schnell, wohl auch, weil Hoffnungsträger Merkles Meniskus unter dem Leistungsdruck zu schmerzen begann und der leidgeplagte Hanseat den Rest der Spielzeit einbeinig über die Runden bringen mußte. Fortan hat Werder das Restspiel unter Kontrolle und spielte Chancen für einen Sack voll Toren heraus: Votava bolzte freistehend vorbei; Riedle dirigierte den Ball kunstvoll an die Latte; demonstrierte wenig später die Angst des Torjägers vor der allzu klaren Chance.

Erst kurz vor Schluß hatte Merkle es auf dem Kopf, den Spielverlauf ad absurdum zu führen. Aber der Fußballgott ist gerecht und lenkte seinen Kopfball neben das leere Tor.

Nach dem Abpfiff gab es zärtliche Umarmungen der Bremer zu sehen, während die Hamburger bedröppelt unter die Gemeinschaftsdusche schlichen.

Leider wurde die Freude der Werderaner doppelt getrübt. Zum einen gab der HSV-Schatzmeister die Zuschauerzahl mit nur 30.000 an, was selbst die Fans des HSV zum Schmunzeln veranlaßte und - da die Einnahmen im Pokal geteilt werden den Geldfluß in Bremens Kassen dünner werden lässt als der Augenschein versprach. Zum anderen muß Bremen in der Vorschlußrunde nach Leverkusen. Und da gab es ja '88 schon eine Fahrkarte ins Europa-Cup-Aus. FW