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Republik her oder wir werden Aussiedler!

■ Viertägiger Kongreß der Wolgadeutschen ging am Freitag in Moskau zu Ende / Autonome Wolgarepublik zurückverlangt

Moskau (dpa) - Die Sowjetdeutschen haben am Freitag in Moskau erstmals eine unionsweite Gesellschaft gegründet, die landesweit die Interessen aller Sowjetbürger deutscher Nationalität vertreten und die Wiedererrichtung der Autonomen Wolgarepublik der Sowjetdeutschen vorbereiten soll. In verschiedenen Briefen wandten sich die Teilnehmer der konstituierenden Sitzung am Freitag an das Zentralkomitee der KPdSU, den Obersten Sowjet und an den künftigen Kongreß der Volksdeputierten mit der Bitte um juristische Anerkennung der Gesellschaft „Wiedergeburt“. Außerdem verabschiedete die Konferenz ein Statut und ein Programm.

Mit dem ZK-Plenum, das im Sommer den nationalen Fragen in der UdSSR gewidmet sein wird, verbinden die Sowjetdeutschen nach eigenen Angaben große Hoffnungen. Sie regten in diesem Zusammenhang am Freitag eine Regierungskommission an, die „möglicherweise“ parallel zum Plenum gebildet werden und sich speziell mit der sowjetdeutschen Problematik befassen könnte.

Als wichtigste Ziele der Gesellschaft nannte der Moskauer Schriftsteller Hugo Wormsbecher, der dem Vorstand angehört, am Freitag die Wiedererrichtung der Autonomen Republik der Sowjetdeutschen an der Wolga, die Schaffung „nationaler Kreise“ in Gegenden, wo eine „kompakte“ deutsche Bevölkerung anzutreffen ist, und den Schutz der nationalen Identität sowie der deutschen Sprache und Kultur.

Die autonome Wolgarepublik war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von Stalin zerschlagen worden, der den Wolgadeutschen Kollaboration mit Hitler vorwarf. Hunderttausende wurden gewaltsam vor allem in Kasachstan und anderen Teilen der UdSSR umgesiedelt.

„Wenn die Wiedererrichtung der deutschen Autonomie an der Wolga nicht gelingt, wird es eine weitere Auswanderungswelle der Sowjetdeutschen in die Bundesrepublik Deutschland geben“, sagten Wormsbecher und der Präsident der neuen Gesellschaft, Heinrich Grout. Die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ berichtete am Freitag nachmittag von Briefen aus der Bundesrepublik, in denen augewanderte Sowjetdeutsche ihren Wunsch geäußert hätten, in die UdSSR zurückzukehren, wenn es wieder eine deutsche Autonomie in der Sowjetunion gebe.

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