: Zentralflughafen für beide Halbstädte?
■ Der Direktor des Aspen-Instituts, David Anderson, schlägt den Bau eines neuen Großflughafens in Berlin-Oranienburg (DDR) vor / Begrüßenswerte Diskussionsperspektive oder sinnloses Großprojekt? / Kein Weg aus der Sackgasse im Flugverkehr, meint die AL
Reisen im Jahre 2000: Mit Hochgeschwindigkeitszügen werden die Passagiere aus der Innenstadt zu dem im Norden Berlins gelegenen neuen gesamt-Berliner Großflughafen Oranienburg transportiert. Die alten Flughäfen Tegel im Westteil der Stadt und Schönefeld im Osten werden nur noch in Notfällen und für den militärischen Flugverkehr benutzt. Die alten Militärflughäfen Gatow und Tempelhof sind ganz geschlossen worden.
So könnte, wie gestern gemeldet, nach einem Vorschlag von David Anderson, Direktor des Aspen-Instituts, die Zukunft der Berliner Luftfahrt aussehen. Nach Ansicht des ehemaligen US-Gesandten braucht Berlin noch vor dem Jahr 2000 einen neuen, großen Flughafen. Dieses Problem, so Anderson, müsse ohne „ideologischen oder historischen Ballast“ gelöst werden. Im einzelnen sieht sein Vorschlag vor, den bislang durch den Warschauer Pakt benutzten Militärflughafen Oranienburg in einen Zentralflughafen für Ost- und West -Berlin umzuwandeln. Der Viermächtestatus Berlins soll dadurch nicht tangiert werden, auch die Luftkorridore sollen weiterhin erhalten bleiben. Der Bau eines solchen Zentralflughafens wäre nach Ansicht Andersons unter „dem Schirm einer neuen Vier-Mächte-Vereinbarung“ möglich.
Als „sinnloses Großprojekt“ bezeichnete die AL-Fraktion den Anderson-Vorschlag. „Was aus deutschlandpolitischer Sicht unterstützenswert erscheint, weist keinen Weg aus der drohenden Sackgasse im Flugverkehr“, erklärte die AL. Für die nächsten Jahre wird eine Verdoppelung der Fluggastzahlen auf zwei Milliarden prognostiziert. Die AL fordert daher Alternativen zum umweltschädlichen Flugverkehr und die Umverteilung der Flugsubventionen zugunsten der Eisenbahnen. Nicht nur die Ost-West-Richtung, sondern auch Nord-Süd Eisenbahnverbindungen müßten ausgebaut werden.
Als „vielversprechende Diskussionsperspektive“ bezeichnete dagegen der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Wolf Schulgen, Andersons Vorschlag. Die SPD setzt zur Zeit allerdings mehr darauf, die vorhandenen Flughäfen zu öffnen. Wie in den Koalitionsvereinbarungen abgemacht, sieht Schulgen eine engere Kooperation zwischen Tegel und Schönefeld als mittelfristige Perspektive.
„Wir begrüßen jede Überlegung, die sich mit dem Dilemma der steigenden Verkehrszahlen auf der einen und Umweltfragen auf der anderen Seite beschäftigt“, hieß es gestern auch bei der Betreiberin des Flughafen Tegel, der Flughafengesellschaft. Flughafendirektor Robert Grosch geht ebenfalls von steigenden Fluggastzahlen aus. 1988 wurden 5,6 Millionen Passagiere in Tegel abgefertigt. In diesem Jahr ist die Zahl der Fluggäste wieder um sechs Prozent gestiegen. Er bezweifelte allerdings, ob ein solches Projekt bis zum Jahre 2000 realisiert werden könne.
„Das klingt mir eher nach Berlin 3000“, so der Kommentar von Lutz Wunder, persönlicher Referent des Verkehrssenators Wagner. Man sehe in Andersons Vorschlag eine ganze Reihe von Problemen. Vor allen die politischen Aspekte der Fragen müßten erstmal geklärt werden. „Die DDR müßte schließlich auch erstmal gefragt werden“, hieß es seitens der SEW. Die SEW plädiert wie die AL für stärkeren Ausbau des Eisenbahnverkehrs und eine Kooperation zwischen Schönefeld und Tegel.
-guth
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