„Wenn man Beethoven abgetrieben hätte“

Nur geringes Interesse der Bevölkerung an Memminger Anti-Abtreibungs-Demonstration der Jungen Union Bayern und CSU Memmingen / Mit Gebeten für das ungeborene Leben: „Abtreibung ist frauenfeindlich“  ■  Von Klaus Wittmann

Memmingen (taz) - 2.600 Personen haben nach Polizeiangaben in Memmingen an einer Demonstration der Jungen Union Bayern und der CSU Memmingen teilgenommen. Der bayerische JU -Vorsitzende Gerd Müller will allerdings 7.000 Teilnehmer gezählt haben. Obgleich JU und Katholikenverband in großen Zeitungsanzeigen zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen hatten und sogar ein Pfarrer nach der Predigt zum Mitmarschieren aufgefordert hatte, war das Interesse der Memminger Bevölkerung gering. Auf Spruchbändern war zu lesen: „Gib dem Leben eine Chance, ich bin der Herr dein Gott. Du sollst nicht töten“ oder auch „Abtreibung ist zutiefst frauenfeindlich.“ Die meisten Teilnehmer zogen schweigend durch die Memminger Innenstadt, nur eine kleine Gruppe von jüngeren Teilnehmern betete ununterbrochen das „Gegrüßet seist du, Maria„; einige Demonstranten stimmten in den Sprechchor „Laßt die Kinder nicht allein - sie sollen unsere Zukunft sein“, ein.

Nur vereinzelt entwickelten sich hitzige Wortgefechte überwiegend mit älteren Passanten - am Rande des Protestzuges. Lautstark ging es nur einmal zu, als eine ältere Dame den Demonstranten zurief „Helft den Alleinerziehenden“. Ein JU-Vertreter konterte: „Beethoven war das dritte Kind einer Familie, wo der Vater TBC hatte und die Mutter geistesschwach war. Wenn man ihn abgetrieben hätte, hätte es heute keinen Beethoven mehr gegeben.“

Hauptredner bei der anschließenden Kundgebung waren die Staatssekretärin im bayerischen Arbeits- und Sozialministerium Barbara Stamm und der bayerische JU -Vorsitzende Gerd Müller. Müller forderte ein Zeichen gegen Hartherzigkeit und Gleichgültigkeit. Abweisend reagierte er allerdings auf die Frage, ob denn das in seiner Rede bekundete Ja zum Leben nicht im krassen Gegensatz zu seinen inzwischen wieder zurückgenommenen Forderungen nach Wiedereinführung der Todesstrafe stehe: „Ich gebe heute keine Stellungnahme zu Themen ab, die vor 14 Tagen relevant waren.“

Staatssekretärin Barbara Stamm forderte mehr Kinderfreundlichkeit in Deutschland und machte deutlich, daß es da noch ein großes Defizit gebe. Es sei höchste Zeit sich anzuschicken, ein kinderfreundliches Land zu werden, mahnte Frau Stamm.

Nur wenige Kinder nahmen im Anschluß an die Kundgebung an einem Kinderfest der Jungen Union Bayern teil. Bei Discomusik und Roboterspielen sowie einem Luftballonwettbewerb klang die Protestveranstaltung aus.