: Grasdächer für Obervieland
■ Im Auftrag des Landes Bremen entsteht ein ökologisches Gestaltungskonzept für den Bremer Stadteil / Planungen gehen aber in eine andere Richtung / MitarbeiterInnen von Eva-Maria Lemke-Schulte fordern mehr Geld und Personal für Stadtökologie
Frau stelle sich einmal vor: In der Bremer Politik gebe es keine ökonomischen Zwänge mehr, ökologische Zielsetzungen hätten absoluten Vorrang. Dann könnte zum Beispiel der Bremer Stadtteil Obervieland so aussehen: Die Hochhäuser sind zum Teil zurückgebaut, nur noch die Windräder ragen in den smogfreien Himmel. Überall sorgen Grasdächer für ein angenahmes Raumklima. Sie fangen auch das Regenwasser auf, das für den Betrieb der Waschmaschine und die Toilettenspülung gebraucht wird. Wintergärten sorgen nicht nur für kommunikative Wohnformen und Gemütlichkeit, sondern auch für passive Wärmenutzung. Die Erwärmung des Brauchwassers erfolgt über Sonnenkollektoren. Zwischen den neu angepflanzten Wäldern sind Feuchtwiesen entstanden. An ihren Rändern sind die Anlagen zur Schnellkompostierung aufgestellt. Auf den Straßen fahren fast nur noch die Straßenbahnen, die wenigen Autos
müssen sich streng an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h halten. In den ehemaligen Garagen stehen die Container für wiederverwertbare Abfälle
Auch wenn diese Vorstellung wohl Utopie bleiben wird: Erste, sehr reale Schritte in diese Richtung gibt es bereits, wenigstens auf dem Papier. Die Planungsgemeinschaft „Oeko Cept“ hat im Auftrag des Landes Bremen ein ökologisches Gestaltungskonzepts für den Bremer Stadtteil erarbeitet, das in den nächsten Wochen fertiggestellt und vorgelegt werden soll. Darin sind eine Reihe von Maßnahmen für die Umgestaltung Obervielands aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht enthalten. Dabei kam dem interdiszplinären Ansatz des Projekts besondere Bedeutung zu. Denn: „Oeko Cept“ ist eine Bürogemeinschaft von WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen aus den Bereichen Architektur, Landschaftsplanung,.
Bauwesen, Maschinenbau, Soziologie und Ökonomie.
Die Vorschläge reichen von Fassaden- und Dachbegrünung über Wärmedämmung , den Einsatz und sparsamen Umgang von regenerativen Energiequellen bis zur Umsetzung bereits entwickelter Konzepte für umweltschonenden Verkehr und auf Recycling setzende Müllentsorgung. Diese auf den Stadtteil abgestellten Vorschläge fußen auf einer detaillerten Analyse der Wohn- und Lebensverhältnisse in Obervieland.
Da es sich bei dem Bremer
Stadtteil nach Auffassung der PlanerInen um eine für die Bundesrepublik typische Siedlung handelt, sind die Daten und strukturellen Vorschläge in allen großstädtischen Bereichen einsetzbar. Das Projekt konnte mit finanzieller Unterstützung des Bundes erarbeitet werden und wird auch von Mitarbeiterinnen der Bremer Umweltbehörde als bundesdeutsches Modellprojekt eingestuft.
„Mit dieser Arbeit ist es endlich gelungen, den Begriff Stadtöklologie inhaltlich zu füllen“, lobt Christine Ax aus der Abtei
lung „Stadtökologie“ in der Umweltbehörde. Zum ersten Mal sei es gelungen, aufzuzeigen, wie und in welchem Umfang Schadstoffe verhindert werden können und was dies kostet. „Damit wird ein wichtiger Beitrag für die Umsetzung ökologischer Ziele gesetzt“, ist sie überzeugt.
Ax drängt jetzt auf eine stärkere finanzielle und personelle Ausstattung ihrer Abteilung, damit diese Ansätze weiterentwickelt und realisiert werden können. Damit soll in Obervieland jetzt begonnen werden. Als näch
ster Schritt ist eine intensive Einbeziehung der EinwohnerInnen geplant. Dort ist das Projekt bereits jetzt auf großes Interesse gestoßen, vom Ortsbeirat gibt es Unterstützung. Die Planerinnen hoffen, daß es hier nicht nur die notwendige Akzeptenz, sondern auch den politischen Druck gibt, um die notwendigen Gelder locker zu machen. Denn: Die bisherigen Planungen für Obervieland setzen auf Industrieansiedlung und Straßenbau und haben mit der Utopie
-jedenfalls derzeit - noch nicht viel gemeinsam. om
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen