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■ Rechtsextremisten aus Schweden und Italien sind auf dem Weg in die ehemalige „Reichshauptstadt“, um in der nächsten Woche den 100. Geburtstag Adolf Hitlers zu „feiern“ / Innensenat: „Die Polizei ist vorbereitet“ / Neben Berlin sind auch München und Nürnberg als „Reiseziele“ im Gespräch

Rom/Berlin/Stockholm (taz) Der derzeitige Pilotenstreik auf den italienischen Flughäfen regt nicht nur Geschäftsleute und Urlaubsreisende auf. „Das Problem“, brummt der Mann am Telefon in der Zentrale der faschistischen Partei „Movimento sociale italiano“ (MSI) in Rom, „ist nicht, daß die nicht hinwollen. Das Problem ist, daß sie vielleicht nicht nach Berlin hinkönnen!“ Denn am 20. April wollten die italienischen Neofaschisten eigentlich den Blutbund zwischen Faschismus und Nationalsozialismus erneuern: Kommenden Donnerstag wäre Adolf Hitler 100 Jahre alt geworden. Weil die Streiks auf den Flughäfen vorraussichtlich noch bis zum 21. April andauern werden und auch die Eisenbahner die Arbeit niederlegten, haben sich mehrere rechtsextreme Gruppen aus Italien bereits am vergangenen Wochenende per Auto auf den Weg in die ehemalige Reichshauptstadt gemacht, um ja rechtzeitig zum 20. April in Berlin dabeizusein.

Wie die taz erfuhr, wollen auch schwedische Neonazis am nächsten Donnerstag an der „Party“ teilnehmen. Dem Vernehmen nach haben sie sich schon zu Anfang dieser Woche auf den Weg gemacht. Der Pressesprecher des schwedischen Verfassungsschutzes gibt sich in dieser Angelegenheit einsilbig: „Dazu liegen uns zwar Informationen vor, die rücken wir aber nicht raus!“

Die rechtsextremen Berlin Touristen aus Italien gehören unter anderem der „Avanguardia nazionale“ und der „Forza di gioventu“ an. Beide Gruppen sind Nachwuchsorganisationen der MSI. Sie stammen aus Reggio Clabria und Battipaglia und dem mittelitalienischen Arezzo. Dazu kommen Neofaschisten aus den neuen MSI-Hochburgen in Südtirol. Andere Führer-Fans packen ihre Koffer, um am nächsten Wochenende loszubrettern.

Neben Berlin, der „Hauptstadt der Bewegung“, stehen auch München und die „Stadt der Reichsparteitage“ Nürnberg auf dem rechtsextremen Besuchsprogramm.

„Die Berliner Polizei ist vorgewarnt und gewappnet!“ meint Lutz Matusch, persönlicher Referent des Innensenators Pätzold zum Problemtag 20. April. Zu rechnen sei mit Plakataktionen und Farbschmiereien aus der rechten Ecke, erklärte Matusch der taz. Da die Personen, die den Hitler -Geburtstag in Berlin vorbereiteten, aber „bekannt seien“, bestehe kein Grund zur Panikmache. Matusch: „Das ist ein relativ überschaubarer Kreis.“ Auf verschärfte Kontrollen an den Grenzübergängen will der Innensenat deshalb verzichten, „um die Bevölkerung nicht zu verunsichern“.

Als mögliche Anlaufstelle für „Führer-Gratulanten“ gilt in Berlin die im Wedding ansässige „Freiheitspartei“ (FP). Diese rechtsextreme Wählergemeinschaft konnte bei den Wahlen im Januar 208 Stimmen im Wedding verbuchen. Die Aktivisten der Truppe stammen aus der neonazistischen FAP, zu der auch der selbsternannte Obernazi Michael Kühnen gehört. Kühnen bereitet schon seit fünf Jahren mit Neofaschisten aus anderen europäischen Ländern das Hitler-Memorial vor. Zu diesem Zwecke gründete er das „Komittee zur Vorbereitung der Festlichkeiten des 100. Geburtstag von Adolf Hitler“, kurz „KAH“ genannt. Druckerzeugnisse des KAH wurden bereits in Berlin gesichtet.

Ob sich die italienischen Faschisten und die Berliner Neonazis während der „Feierlichkeiten“ nur brüderlich in die Arme fallen, ist allerdings fraglich. Als die MSI-Mitglieder im Jahre 1983 den „Hundersten“ des Duce Mussolini begossen, fanden sich zwar viele Bundesdeutsche ein. Die braunen Brüder aus dem Norden fielen aber nicht durch höfliches Gratulieren, sondern, so der MSI-Sprecher in Rom, durch Aggressivität gegen die italienischen Parteigenossen auf. Die „besserwisserische Rechthaberei“ und die Verächtlichmachung des „Spaghetti-Faschismus“ liegt den Italienern noch heute schwer im Magen. „Nicht auszuschließen“, erklärt der MSI-Mann in Rom, „daß da einige nicht nur zum Feiern hinfahren, sondern auch, um ein paar ältere Rechnungen zu begleichen!“

Um auf Überfälle, Aufmärsche und sonstige Aktivitäten der Neonazis in Berlin zu reagieren, ist das „Antifa-Telefon“ (692 15 99) vom kommenden Montag, 17.4., bis zum Samstag, 22.4., täglich von 16.00 bis 24.00 Uhr besetzt.

CC Malzahn (Berlin)/ Werner Raith (Rom)/ Gisela Petterson (Stockholm)

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