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„Seit der 750-Jahr-Feier hat uns die Polizei unter Kontrolle“

Klaus P. (37), seit 21 Jahren Berber am Bahnhof Zoo, zum Vorgehen der Ordnungskräfte gegen die Trinkbrüder vom Zoo  ■ INTERVIEW

taz: Was sagst du zu dem Urteil gegen deinen Kumpel T.?

Klaus P.: Das Urteil ist nicht gerecht. Ich habe genau beobachtet, was sich da abgespielt hat, und ich war nicht in dem Stadium, was Betrunkenheit anbetrifft. T. hat sich wirklich versucht zurückzuhalten, er hat nur gebrüllt. Der BVG-Beamte hat versucht, ihn in die Halle reinzuziehen, und angemacht und provoziert. Die beiden haben irgendwie eine Privatfehde und sind schon öfters zusammengerasselt.

Seid wann dürft ihr euch nicht mehr in der Bahnhofshalle aufhalten?

Seitdem die Modernisierung hier angefangen hat, bei der 750 -Jahr-Feier. Das war der springende Punkt. Da wurden wir aufgeklärt, daß wir hier keinen Alkohol mehr in der Öffentlichkeit trinken dürfen. Es sind viele Leute hier, die in den Hallen sitzen und Schnaps trinken, aber das war nicht unser Problem, weil wir draußen standen oder im Windschatten an den Eingangstüren, wenn Wind und Wetter runterkamen.

Warum trefft ihr euch ausgerechnet am Bahnhof Zoo?

Das ist ein internationaler Bahnhof, das ist klar: Wir kommen aus verschiedenen Bezirken, mein Kumpel, der vor Gericht stand, kommt aus Kreuzberg, ick komm aus Neukölln, die Anne kommt aus Schönberg... Wir treffen uns hier eben halt. Bei so einem Wetter wie jetzt sitzen wir eigentlich überwiegend an der Gedächtniskirche. Da informieren wir uns, was Wohungslosigkeit angeht - ich selber habe zwar Glück und wohne in einem Zweimannzimmer in einer Pension, aber das geht einem trotzdem auch auf den Geist, weil es so eng ist und man seine Freundin nicht mitbringen kann, weil da noch einer ist. Man trifft sich, um sich auszusprechen, der eine hat diesen Kummer, der andere hat Arbeitsprobleme.

Wodurch unterscheidet ihr euch von den sogenannten Bahnhofspennern und den Freaks vom Zoo?

Die seh'n ganz anders aus. So wie ich auf Gericht ausgesehen habe, laufe ich hier jeden Tag rum. Die Bahnhofspenner, die hängen nur in den Hallen rum und schnorren, was wir nicht machen. Und die Freaks sind für mich die „Gifties“ von wegen Fixen, und dann sind da noch die Stricher und die Weiber, die anschaffen gehen.

Trifft es zu, daß ihr ständig Strafanzeigen bekommt, zum Bespiel weil ihr im Bahnhof aufs Klo geht?

Das läuft so seit der 750-Jahr-Feier, seitdem lauft die Polizei hier rum und hat uns tagtäglich unter Kontrolle. Die haben uns erklärt, daß es hier nur noch Strichlisten gibt. Das läuft so, daß die Leute gar nicht angesprochen werden, sondern alle paar Monate eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs kriegen. Die sind überwiegend festgestellt worden, als sie aufs Klo gegangen sind. Ich selbst bin auch schon von Grünen angesprochen worden, als ich von der Toilette zurückkam. Die Polizisten wissen sogar schon unsere Namen, so gut sind die über uns informiert.

Betrifft das auch die Bahnhofspenner und Freaks?

Genauso. Von den Bahnhofspenner sitzen zur Zeit sogar welche. Einer hat sechs oder acht Mal sechs Monate ohne Bewährung bekommen. Die Frau von meinem Kumpel wurde vor zwei Tagen verhaftet und muß jetzt solange drin bleiben, bis der Termin stattfindet. Die Frau ist eine Rentnerin aus dem Osten, die jeden Tag rüberkommt.

Was ist eure Forderung?

Wir wollen unsere Freiheit haben. Ich möchte nicht angepöbelt werden, bloß weil ich hier stehe und Bier trinke.

Stimmt es denn, daß ihr die Fahrgäste stört?

Im Gegenteil. Wir haben hier schon Koffer hochgetragen von älteren Leuten, die manchmal nicht wußten, wohin.

Interview: plu

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