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VON DER BANANENBOUTIQUE...

■ „Banane konzentriert“ in der Galerie Carlos Hulsch

Aus tiefem Schwarz taucht farbenprächtig eine aufgebrochene Pellkartoffel mit Preiselbeeren und Sahne auf. Plakate der Werbekampagne „Schöner Essen“ hingen in den ehrwürdigen Räumen der Kunsthalle Kiel im Rahmen der Ausstellung Vom Wahren, Schönen, Guten in den siebziger Jahren, eine Reihe, mit der der trivialen und alltäglichen Bilderwelt auf den Zahn gefühlt werden sollte. An der Stelle, an der die Freß-Stilleben der Jahrhundertwende den Annoncen gegenüberstanden, wurde nicht nur die Herkunft deutlich; die Bilder der Gemäldesammlungen dienten der Reklame als Ausbeute. Im Ausstellungskatalog zog Dr. Karlheinz Nowald aus kunsthistorischer Sicht (teilweise ironisch) Parallelen zwischen dem Aufbau der Bauchfleisch- und Quarkbecheranzeigen und der Mittelachsenkomposition von Leonardos Abendmahl und Raffaels Sixtina.

Nicht erst seit Andy Warhol der schönen, tristen Welt der Werbung huldigte, durchdringen sich Alltag und Kunst, Kulturindustrie und Gunstgewerbe, „e&u und c&a“. Werbung und Kunst klauen sich gegenseitig Bananen und Spargel aus dem Mund - und stecken sie sich wieder zu. Nur daß die Reklame den längeren Atem hat, sprich: auf mehr Geld sitzt und Plakatwände zur Verschandelung des Stadtbildes zur Anpreisung von Produkten gepachtet hat. Aber in der Kunst geht's auch um Geld. Und was machen die jungen KünstlerInnen, die an der Kultur teilnehmen wollen, die das öffentlich machen, aber nicht in die ersehnten Orte reinkommen? - Sie lassen sich was einfallen.

Fünfzehn KünstlerInnen aus dem In- und Ausland bilden eine Gemeinschaft unter dem Zeichen der Banane und spielen Grenzgänger zwischen Reklame und Kunst, Banalität und Genialität. Daß Bananen für KünstlerInnen und Kunstinstitute einen großen Nährwert und fruchttragenden Anteil haben können, demonstriert die Ausstellung Banane konzentriert in der Galerie Carlos Hulsch.

Die Schau wurde mit einer Performance, einer Live -Übertragung aus einem Fernsehergehäuse zum Thema „Verstopfung“, von Hans-Jörg Tauchert und einer üppigen Bananenfutterei eröffnet. Und während nach Bananenscheibchen in der Bananenbowle gefingert wurde, während sich Zähne in frische Bananen, die großzügig von einem bekannten Bananen -Multi gestiftet wurden, bohrten, während die Zunge dem Geschmack von Wein und Sekt nachforschte, ehe sie die Mischung zum Gaumen und dann zum Magen transportierte, wanderten die Augen über die Kunst rund um die Banane.

Wie es im Alltag das Bananentelefon, Bananeneis, Bananencocktail, Bananenstecker gibt, entwickeln Künstler marktbewußt Bananenengel, Bananenglobus, Bananenpistolen im Duell-Besteckkasten, Bananenrepublik-Fahnen. Gisela Cardaun, die unter anderem in etlichen Schuhhäusern und auf einer Schumesse ausgestellt hat, stellt Schuhobjekte aus Ton her, die einer fruchtfleischentflohenen Bananenschale das formvollendete Stehen beibringen können, während der Niederländer Gerrit de Vries sein Bananen -Straßenlaternenmodell funktionsgerecht mit eingebautem Telefon und Sitzgelegenheit versieht. Weitere Sonderangebote: eine Ölsardinenbanane, die sich gerade aus der aufgerollten Büchse pellt, von dem Maler Volker Mayr. Der unbekannte Kölner Bananensprayer, der seine gelben Bananensignaturen seit 1986 an Kölns Kunstorten hinterläßt, um einerseits den Kunstaustausch hervorzuheben, andererseits Galerien und Museen als etwas Etabliertes zu zeigen, pinnt getrocknete Bananenschalen auf Untergründe, nennt sie „Kultivierte Kleinplastiken“, die Kruzifixen ähneln. Eine schwarze Schale nagelt er an ein weißes Kreuz, sein „Bananenkreuz“. Mit vier Bananen schafft er es, „unsere Kulturentwicklung“ nachzuzeichnen: In einem Kasten stehen hintereinander aufgereiht eine echte grüne Banane im Anfangsstadium, eine echte gelb-gereifte, eine Plastikbanane und, im höchsten Entwicklungsstand, die Banane als Sonnenölbehälter. Daß er ausgerechnet auf die Banane kam, verdankt er seiner Zivildienstzeit in einem katholischen Krankenhaus. Dort hat er eine richtige Banane ans Kreuz genagelt, ehrfürchtig mit ihren Ärmchen, den Schalen, gekreuzigt und von allen Seiten betrachtet und fotografiert. Schöner Schälen

Oberflächlich betrachtet beschränken sich die Produkte auf den spielerischen Umgang mit dem fruchtigen Gegenstand. Die Oberfläche bröselt, wenn die Homogenität der schönen gelben Bananen und des Sekts auf der Zunge unterbrochen wird durch die Konfrontation mit der Bananenreklame im Nebenraum, den aufgeblasenen Plastikbananen vor der Tür und den Produkten der KünstlerInnen. Die Vorstellung, daß über einem Eßtisch im Restaurant, an dem gerade eine köstlich flambierte Banane mit Mandelsplittern und Vanilleeis serviert wird, an der Wand eine schwarze vertrocknete Bananenschale als INRI an ein weißes Kreuz genagelt hängt (statt einem wohlgefälligen Früchtestilleben), würde einigen den Appetit verderben. Wenn die Verwandtschaft von Augenschmaus und Gaumenfreuden verdorben wird, ist's Essig mit dem Genuß. Trotzdem konnten die Besucher der Ausstellung Banane konzentriert genüßlich ihre Bananenbowle schlürfen, während sie fasziniert geöffnete Gebisse, die aus Bananen klaffen, betrachten. Zwei Enden

An allen Nahrungsmitteln fasziniert die Zweideutigkeit. Nahrhaftes und Gesundes kann bei übermäßigem Verzehr oder Mangel (schleichend) schädlich sein. In einem einzigen Gegenstand verdichten sich Extreme mit lockenden und abschreckenden Seiten. Während die Reklame nur die freundliche Anmachgenüßlichkeit in klischeehaftem Kitsch verbreitet, widmet sich die Ausstellung in der Galerie Carlos Hulsch darüber hinaus der Doppeldeutigkeit der Banane.

Die Südfrucht läßt sich leicht schälen, andererseits kann man auf den Schalen ausrutschen. Sie schmeckt gut und ist nahrhaft. (Nur von Bananen lebt ein 44jähriger schwedischer Fensterputzer. Er ißt seit zwei Jahren täglich 20 bis 25 Bananen und dazu drei Löffel Haferflocken, zu denen er eineinhalb Liter Milch am Tag trinkt.) Große Kauanstrengungen sind beim Verzehr nicht nötig, außer man ißt sie mit Schale. Die Banane ist aber auch eine vergängliche Frucht. Was bei uns als frische, gelbe Tropenfrucht verzehrt wird, ist eine Überzüchtung, die künstlich reift und schnell fault. Sie hat einen klangvollen kosmopolitischen Namen und ruft gleichzeitig den Exportschlager zweifelhafter Diktaturen in Erinnerung. Sie ist nebenbei Sexsymbol (und, was in der Ausstellung bewiesen wurde, nicht hauptsächlich das, was Einfältige als erstes assoziieren).

Mit dem, was die Banane hergibt, gehen die Künstler je nach Lust und Laune um. Peer Gero Döhring betitelt seine geöffneten Gebisse, die in Originalgröße aus Bananen klaffen, „Die erfolgreichste Regierung Westeuropas“. Ingeborg Broska patiniert ihr „Grabstein Kissen“ aus Gips mit Bananenmelasse.

Die ahnungslose Banane muß wegen ihrer grell-gelben Farbe allerdings auch für einige Produkte der Ausstellung herhalten, die mit billiger Banalität und reizloser Kitschnachahmung Affiges symbolisieren. Ein Globus mit gelb übermalten Meeren, zwei Bananenformen mit Abzug als Pistolen, eine bundesrepublikanische Flagge mit aufgemalter Banane als „Bananenrepublik“ und eine in Erde eingesargte Banane von Käthe Be, neben der zwei Blümchenglühbirnen brennen, sollen beweisen, daß auch die größte Banalität aller Zeiten in der Kunst wie die Banane ihre zwei Seiten hat. Nährwert

Obwohl die Künstler in ihren Objekten auf die Doppeldeutigkeit eingehen, bevorzugen sie wie die Werbung den hohen nahrhaften Effekt des Motivs Banane als Markenzeichen und Zugpferd und nutzen ihn aus.

Die Banane hat sich an Kölner kommerziellen und nichtkommerziellen Kunsträumen durchgesetzt. „Kein Kunstort ohne Banane, ohne Banane keine Kunst.“ Wie in der Reklame wird suggeriert, daß ohne Banane nichts mehr geht. Wenn die Banane außen gelb wie Geld wie Gold ist, muß das ein ganz gewaltiges Geschäft sein, weil Obstgold ständig nachwächst. Die BananenkünstlerInnen befinden sich auf einem erfolgversprechenden Werbefeldzug. Die Galerie war an der Eröffnung vollgestopft mit Presse, Neugierigen und Bananensüchtigen.

Auf der Suche nach selbstbestimmten Präsentationsorten ihrer Werke haben einige KünstlerInnen auf der freien Fahrt für Assoziationen auch die Lebensform der Banane übernommen und uminterpretiert. Keine Banane ist wie die andere, jede Banane hat ihren eigenen Stiel, aber sie hängen zusammen. Infiziert vom Bananenfieber gründeten Gisela Cardaun und Hans-Jörg Tauchert das Bananenbüro als neue Organisationsform. Jede/r ist ein Bananenbüro. „Die KünstlerInnen können machen, was sie wollen, es gibt keine Hierarchie. Die Büros bilden eine Einheit zum Austausch, zu dem aber kein Zwang besteht. Jedes Bananenbüro ist autark“: Es gibt sie in Köln, Münster, Amsterdam, Paris und Los Angeles - und in Berlin.

Sollte das ein Erfolgsrezept sein, gründe ich demnächst ein Tomatenbüro, um meine Tomaten-Performances besser an die Galerie zu bringen. Ein Fischbüro haben wir ja schon.

Petra Grimm

Die Ausstellung Banane konzentriert wird bis zum 31. Mai in der Galerie Carlos Hulsch (Emser Straße 43, 1-15) von Montag bis Freitag von 15 bis 18.30 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr gezeigt. Am 5. Mai ist um 20 Uhr eine Bananen-Diskussion und am 27. Mai die Bananenernte eingeplant.

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