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Die Nato will Kohl retten

Auf dem Bündnisgipfel im Mai werden keine Beschlüsse zur „Modernisierung“ der Lance-Raketen gefaßt werden / Konzessionen an die Bundesregierung / Tagung der „Nuklearen Planungsgruppe“  ■  Aus Brüssel Andreas Zumach

Der Nato-Gipfel im Mai wird mit Rücksicht auf das politische Überleben der Koalition in Bonn keinen ausdrücklichen Beschluß zur „Modernisierung“ der atomaren Lance-Raketen fassen, jedoch sicherstellen, daß Entwicklung und Produktion der Nachfolgerakete in den USA programmgemäß für die ab 1994/95 vorgesehene Stationierung weitergehen. Ein Angebot an die Warschauer Vertragsstaaten für Verhandlungen über atomare Kurzstreckenraketen wird es dafür mit größter Wahrscheinlichkeit vorläufig nicht geben.

Dieser Kompromiß in der Frage der „Modernisierung“ zeichnete sich auch auf der gestern in Brüssel begonnenen Tagung der „Nuklearen Planungsgruppe“ (NPG) der Nato ab. Mitglieder der Delegation des britischen Verteidigungsministers Younger bestätigten, daß die Regierung Thatcher nun der Linie der Bush-Administration folgt und nicht mehr auf eine ausdrückliche Stationierungsentscheidung beim Nato-Gipfel im Mai drängt. Nach dieser als Konzession an Bonn bezeichneten Änderung ihrer Haltung sind die USA und vor allem Großbritannien aber nicht zu einem weiteren Entgegenkommen in Form eines Verhandlungsangebotes über die Reduzierung oder gar den völligen Abbau der Kurzstreckenraketen bereit. Im Entwurf für das bis gestern abend zwischen den Delegationen noch umstrittene Abschlußkommunique der heute zu Ende gehenden Tagung verhinderten Washington und London daher jegliche Erwähnung von Verhandlungen wie auch des „Gesamtkonzepts“ der Allianz, auf das vor allem Bonn drängt. Der ausdrückliche Bezug auf den Nato-Modernisierungsbeschluß von Montebello von 1983 soll nach Bonner Wunsch ebenso wegfallen wie eine Erwähnung der „Studie über den Nuklearwaffenbedarf“ der Nato.

In dieser offiziell geheimgehaltenen Studie, die der NPG -Tagung vorliegt, erläutert der Nato-Oberkommandierende General Galvin Art die Zahl und das Mischungsverhältnis der Atomwaffensysteme und -sprengköpfe, die er zur Aufrechterhaltung der atomaren Abschreckung für notwendig hält. Er spricht sich ausdrücklich für 750 neue Raketenwerfer mit jeweils zwei Abschußvorrichtungen für neue atomare Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite bis 490 Kilometer aus. Weiterhin verlangt er in Ausführung des Montebello-Beschlusses die Stationierung atomarer Abstandsraketen auf Flugzeugen in der Bundesrepublik und Großbritannien sowie die Stationierung neuer atomarer 155 -Millimeter-Artillerie. Auch sollen die mit atomaren Cruise -Missiles bestückten US-Schiffe im Atlantik dem Nato -Kommando unterstellt werden.

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