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Mit Taktik und Remplern das Spiel zerstört

WM-Qualifikation: Das 1:1 zwischen Niederlande und BRD läßt beiden Chancen zur Fahrt nach Italien  ■  Aus Rotterdam Henk Raijer

„Fußball ist ein Kampfspiel“, dozierte der Ex-Terrier, Ex -Nationalspieler und heutige Übungsleiter des DFB -Talentschuppens, Berti Vogts. Gerade hatten am Dienstag für ihn und seine U-21-Eleven die 90minütigen Wasserspiele zu Venlo mit einem 1:0-Erfolg gegen die Jungniederländer geendet. Womit der „eiserne Bertie“ mit dieser seiner Kernthese jenes Vorurteil bestätigte, das man hierzulande nicht nur hinsichtlich seiner ganz persönlichen Auffassung vom Fußballspielen pflegt.

Kampfgeist mangels technischer Brillanz, Verbissenheit und Minimalismus statt Spielfreude und Bereitschaft zum Risiko kennzeichnen für die fußballvernarrten Nachbarn die Spielauffassung der „Mannschaft“, wie hier in Anlehnung an die chauvinistische Berichterstattung der öffentlich -rechtlichen Kürtens die Elitetruppe von Franz Beckenbauer spöttisch genannt wird, schlechthin.

Lothar Matthäus und Jürgen Kohler, Eckpfeiler in des Kaisers (Fremden-)Legion, und mit ihnen eigentlich auch die restlichen und nützlichen Waserträger, setzten an diesem kühlen Mittwoch im Rotterdamer „Kuip“ (Schüssel) alles daran, diesem Ruf gerecht zu werden. Aber auch die Oranjehemden, ohne Regisseur Ruud Gullit vom AC Mailand, fanden nicht zu ihrem gewohnten, frischen Angriffsfußball. Gleich vorweg: Das mit Spannung erwartete Match zwischen Europameister und Vizeweltmeister war ein feiges Spiel, angelegt auf die frühestmögliche Zerstörung jeglicher Initiative (eine Punkteteilung läßt beiden Teams gute Möglichkeiten für die WM).

Die Verteidiger Koeman und Rijkaard hatte sich offenkundig in der Anfangsphase darauf verständigt, Rudi Völler als Gefahrenherd mal einzeln, mal in Gemeinschaftsarbeit, umzunieten. „Schneid abkaufen“ heißt bei Kommentatoren diese Taktik, und der Erfolg ließ in diesem Fall keine halbe Stunde auf sich warten: Völler stellte seinen Platz zur Disposition, rippenverletzt, was dem Nochstuttgarter Klinsmann die Gelegenheit zum Auftritt gab.

Kapitän Matthäus mühte sich in heroischer Manier, die Vergehen am guten Kameraden zu ahnden; der junge Möller hatte offenbar den Auftrag, seinem Spieß auf dieser Route zu folgen. Kohler, wie gehabt angesetzt auf Europas Fußballer des Jahres '88, Marco van Basten, war wie üblich ein treuer Gefolgsmann seiner Majestät. Bis auf einmal, als van Basten, nach dem er sich blitzartig von seinem sturen Verfolger gelöst hatte und nur knapp Bodo Illgners Tor verfehlte, zeigte sich der Mittelstürmer merkwürdig desinteressiert. Möglich wäre allerdings, daß er damit seinen Gegner in den Schlaf zu wiegen versuchte, eine Chance, System in den Aktionen der Niederländer zu erkennen.

Es gab in den neunzig Minuten keinen Raum für spielerische Elemente. Nicht einmal die herausragenden Filigrantechniker der beiden Mannschaften, Thomas Häßler und Gerald Vanenburg, vermochten da Akzente zu setzen. Behindernd wirkte auch Herr Frederiksson aus Schweden, der sich sichtlich vorgenommen hatte, souverän zu scheinen und weitgehend auf gelbe Karten zu verzichten, wiewohl es vor der Pause Anlässe zuhauf gab, wachsenden Animositätten auf den Feld entgegenzutreten.

Die zweite Hälfte stand anfangs in bester Kontinuität: Defensive und Fouls. Matthäus legte sich hin und erhielt eine Platzwunde wie ein Boxer, Torhüter Hiele drosch mit großer Wucht gegen die Beine von Riedle, hart an der Strafraumgrenze. Dafür gab es Gelb. Und wenig später fiel der unermüdliche Rächer im Kapitänsgewand einer Verwechslung zum Opfer und bekam, was eigentlich Häßler hätte bekommen müssen (für Matthäus damit Pause beim nächsten Mal in Wales).

Wenigstens sorgte nun die zunehmende Hektik für Farbe im Spiel. Insgesamt drei Chancen spielten sich die Kicker von Beckenbauer in 90 Minuten heraus, eine davon, der ansonsten schwache Möller hatte gefühlvoll einen Freistoß vors Tor geflankt, konnte Riedle mit dem Kopf verwandeln, die wohl brillanteste Aktion.

Danach wurde das Spiel noch zerfahrener, mit einem Alles -oder-Nichts von seiten der Niederländer und daraus folgenden Kontern, bei denen in der 85. Minute Möller von Häßler freigespielt am langen Eck vorbeizielte.

Die Kollegen an den Nebentischen telefonierten bereits Ergebnis und Resümee in die Redaktionen, die Fahrkarte nach Italien sei damit so gut wie in der Tasche usw., als Marco van Basten den Ausgleich erzielte: ein mißglückter Versuch Koemans, mittels Gewaltschuß noch etwas zu erreichen, verlängert er leichtfüßig ins Netz (88.). „Ein wenig spät, nicht“, witzelt er in die laufenden Kameras.

Er war der einzige, der öffentlich Kritik übte an der Taktik seines Trainers. Van Basten kommnt aus der Schule Johan Gruyffs und ist auf Angriffsfußball eingeschworen, woraus für ihn folgt, man solle doch erst einmal Risiken eingehen und erst im Falle des Mißerfolgs andere Maßnahmen ergreifen. Seine Botschaft an die Presse und Anhänger des Fußballs: „Ich fühlte mich über die vollen 90 Minuten todunglücklich.“

Erstaunliche Worte von einem, der Grund hätte, sich feiern zu lassen.

NIEDERLANDE: Hiele - Ronald Koeman - van Tiggelen, Rijkaard - van Aerle, Vanenburg, Hofkens (Rutjes), Erwin Koeman, Winter, Huistra (Eykelkamp) - van Basten

BRD: Illgner - Berthold - Kohler (74., Rolff), Buchwald Reuter, Matthäus, Möller, Häßler, Brehme - Riedle, Völler (33., Klinsmann)

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