: Arbeitsrecht statistisch
■ Präsident des Landesarbeitsgerichts legt Jahresbilanz 1988 vor: Mehr Klagen, weniger Personal, längere Wartezeiten / Senat soll Stellen freigeben
1988 war ein „schwarzes Jahr für die bremische Arbeitsgerichtsbarkeit“. Zu diesem Ergebnis kommt der Präsident des Landesarbeitsgerichts, Martin Bertzbach. Der Tod des Vizepräsidenten und die Erkrankung zweier weiterer Richter führte dazu, daß noch mehr Akten unbearbeitet liegenblieben als im Vorjahr. Nach wie vor verstreicht vom Eingang einer Berufung beim Landesarbeitsgericht bis zum Verhandlungstermin rund ein Jahr - „ein viel zu langer Zeitraum“, wie auch Präsident Bertzbach in seinem Jahresbericht schreibt.
Auch das Arbeitsgericht hat erhebliche Probleme. Es mußte nicht nur mit Arbeitskraft beim
übergeordneten Landesar beitsgericht aushelfen, sondern gegenüber 1987 auch noch 13 Prozent mehr Klagen erledigen. Insgesamt wurden 4.346 Prozesse registriert, die Laufzeiten lagen meist zwischen einem und sechs Monaten. Nur 11,4 Prozent der Verfahren warteten länger als ein Jahr auf Erledigung.
Den größten Anteil der beim Arbeitsgericht erledigten Streitigkeiten machten wiederum die Kündigungsschutz -Verfahren aus. In 2.054 Fällen, das sind 37,7 Prozent aller Entscheidungen, ging es um den Kündigungsschutz. Nur in 24,4 Prozent der Fälle ging es dagegen um den Lohn und in 3,5 Prozent der Fälle um Urlaub und Urlaubsgeld.
Der Betrag der gezahlten Prozeßkostenhilfe blieb gegenüber 1987 unverändert hoch. „Das zeigt, daß die ArbeitnehmerInnen in sehr vielen Fällen nach einer Kündigung keinen neuen Arbeitsplatz gefunden haben und Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe beziehen“, erklärt Arbeitsgerichtspräsident Bertzbach diese Tatsache.
Auch die hohe Zahl von Berufungen der ArbeitnehmerInnen beim Landesarbeitsgericht „zeigt die weiterhin prekäre Situation, in der sich Arbeitnehmer befinden“, schreibt Bertzbach, „sie sind nicht bereit, einen verlorenen Prozeß hinzunehmen, sondern die drohende Arbeitslosigkeit führt dazu, daß der Instanzen
weg ausgeschöpft wird.“ Allerdings, so fügt der Bericht an, „könnte zu dieser Entwicklung auch beitragen, daß eine große Anzahl von Arbeitnehmern rechtsschutzversichert ist“.
„Der hohe Anteil der Kündigungsschutzverfahren ist sicher Verpflichtung, diese Verfahren möglichst schnell zu erledigen, hängt doch das persönliche Schicksal mehrerer tausend Arbeitnehmer davon ab“, resümiert der Arbeitsgerichts-Präsident und präsentiert dem Senat die entsprechende Rechnung: „Es ist aber gleichzeitig auch Verpflichtung der Landesregierung, die Arbeitsgerichtsbarkeit in Bremen weiterhin personell angemessen auszustatten.“
Ase
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