: Kriminaler rufen nach „Europol“
■ Der „Bund deutscher Kriminalbeamter“ fürchtet grenzenloses Verbrechen im Europa ohne Grenzen / Europäische Fahndungsunion mit mehr Kompetenzen und weniger Datenschutz gefordert
Berlin (taz) - „Wenn das geeinte Europa in den nächsten Jahren nicht der Kriminalität geopfert werden soll, dann brauchen wir 'Europol‘, die europäische Polizei.“ Diese Auffassung wird vom „Bund Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK) vehement vertreten. Die gewerkschaftliche Berufsorganisation, in der knapp 12.000 Kriminaler organisiert sind, nutzte den gestrigen Europatag, um angesichts des kommenden Europas alte Forderungen neu zu stellen: grenzüberschreitende Fahndung, eine europäische Fahndungsunion, eine Harmonisierung der Rechts- und Amtshilfe und nicht zuletzt die Verstärkung des inländischen Fahndungsdrucks.
Wenn am 1.1.1990 gemäß dem „Schengener Abkommen“ von 1985 die Grenzkontrollen zwischen den Benelux-Staaten, Frankreich und der Bundesrepublik abgebaut werden, befürchtet der BDK nicht nur, daß „für die wachsende Freizügigkeit des Verbrechens keine adäquate Vorsorge getroffen ist“. Die Bundesrepublik könnte unversehens die Rolle als „Reserveland für Geldwäsche und das Anlegen illegaler Gelder“ einnehmen. Denn in der BRD gebe es „keine praktikablen Regelungen zur Gewinnabschöpfung und zur Geldwäsche“.
Ob mit einem europäischen Binnenmarkt Ende 1992 die europäische Fahndungsunion verwirklicht ist, beurteilen die bundesdeutschen Fahnder eher skeptisch. Die Wünsche der Kriminaler sehen nicht nur die „Erweiterung des Paragraphen 129 auf ausländische kriminelle Vereinigungen“ vor, neben „Europol“ soll es auch umgehend „ein praktikables und effektives System beim Datenaustausch von Fahndungsdaten“ geben. Der Datenschutz, wie er zur Zeit in der BRD angewendet werde, sollte dabei nicht der Maßstab dann notwendiger europaweiter Datenschutzbestimmungen werden. Das Recht auf informelle Selbstbestimmung wird, so Experten des BDK, „überinterpretiert“. In Teilbereichen der Kriminalerarbeit seien die Schutzstandards schon so hoch, daß „hier das Kind mit dem Bad ausgeschüttet“ worden sei.
Wolfgang Gast
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