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Bolivien: Ex-Diktator stellt sich zur Wahl

Der ehemalige Putschist Hugo Banzer versucht bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag, nach demokratischen Spielregeln an die Macht zu kommen / Eine absolute Mehrheit allerdings ist nicht in Sicht  ■  Aus Montevideo Gaby Weber

Kommt in Bolivien der frühere Militärdiktator Hugo Banzer zurück? Jedenfalls versucht er es - diesmal nicht mit Waffen, sondern über die Stimmzettel. Und kaum jemand zweifelt daran, daß er morgen bei den Präsidentschaftswahlen am Besten abschneiden wird. Dennoch dürfte er die absolute Mehrheit verfehlen, und so wird das Parlament, das morgen ebenfalls neu gewählt wird, den Präsidenten küren allerdings erst im Sommer. Und es ist ungewiß, welche Parteienkoalition dann welchen Staatschef durchsetzt. Die National-Demokratische Allianz (ADN) des 62jährigen Hugo Banzers, der 1971 gegen den linksnationalistischen General Juan Jose Torres putschte und sich bis 1978 an der Macht hielt, ging schon aus den letzten Wahlen 1985 mit 29 Prozent als stärkste Partei hervor. Doch im Kongreß erhielt er vor vier Jahren keine absolute Mehrheit. Zum Präsidenten wurde Victor Paz Estenssoro von der Mitte-Rechts-Partei MNR, der Nationalistisch-Revolutionären Bewegung, gekürt. Mit ihr schloß die ADN den „Pakt für die Demokratie“, danach verzichtete die Banzer-Partei auf Opposition zur Regierungspolitik, und die MNR versprach, bei der folgenden Wahl Banzer ihre Stimmen zu leihen. Dieser Pakt wurde im Februar formell aufgekündigt, denn der Wahlkampf hatte begonnen, und da heißt es, sich abzugrenzen und Konturen zu zeigen.

Die Regierungspartei MNR hat abgewirtschaftet, ihr Kandidat Gonzalo Sanchez de Lozada war bislang Planungsminister und graue Eminenz des Estenssoro-Kabinetts. Der Architekt des neoliberalen Wirtschaftsmodells hatte mit seiner rigorosen Sparpolitik die Inflation, die 1985 auf 25.000 Prozent geklettert war, auf zehn Prozent gedrückt. Er hatte Zehntausende Bergarbeiter und Beamte entlassen, die heute als Straßenhändler, Losverkäufer oder Schuhputzer die Straßen bevölkern oder sich dem Kokaanbau widmen. Der Reallohn ist in den letzten drei Jahren um die Hälfte gefallen. Im Wahlkampf verspricht „Goni“, 250.000 neue Arbeitsplätze.

Mehr als 20 Prozent der Stimmen wird der MIR nicht auf sich vereinigen. Er ist nach mehreren Spaltungen immer weiter nach rechts gerückt und hat in sein Schattenkabinett sogar Politiker aufgenommen, die schon den Diktaturen treu gedient haben. Keine der drei bürgerlichen Parteien wird morgen wohl eine absolute Mehrheit erhalten, und so hat hinter den Kulissen die große Mauschelei über mögliche Koalitionen begonnen - Banzers ADN umwirbt den MIR, die Sozialdemokraten schmeicheln der MNR. Nur die Vereinigte Linke (IU) spielt nicht mit. In ihr haben sich im September 1988 die Kommunisten, die Sozialisten, Abspaltungen des MIR und die radikale Linke (Eje) zusammengeschlossen. Ihr sagen die Umfragen um die zehn Prozent voraus. Sie will im Kongreß nur für sich stimmen. Nicht gefragt werden die Kataristen um den Bauernführer Genaro Flores und die PS-1 um Roger Cortes.

Beim großen Stimmenpoker macht auch der frühere TV -Entertainer Carlos „Compadre“ Palenque und seine Condepa (Gewissen des Vaterlandes) mit. An seiner Popularität ist die Regierung nicht ganz unschuldig. Im vergangenen Juli schloß sie seine Fernsehstation wegen eines Interviews mit dem landesweit „gesuchten“ Drogenkönig Roberto Suarez, in dem dieser die Regierung heftig attackiert hatte.

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