Kanal 4 bald auch im Radio?

■ „Radio NRW“ hat Konkurrenz bekommen

In Nordrhein-Westfalen ist es endlich soweit. Die Landesanstalt für Rundfunk hat endlich grünes Licht gegeben. Bis zum 10. Juli muß der Großteil der zukünftigen Lokalradios die Lizenzanträge eingereicht haben.

Derweil haben sich die Zeitungsverleger, 'WAZ'-Gruppe, Bertelsmann und der WDR auf eine gemeinsame Rundfunkgesellschaft namens Radio NRW geeinigt, um die Lokalsender einerseits mit Landes- und Bundesberichterstattung sowie Weltnachrichten zu versorgen und ihnen andererseits über Markenartikelwerbung Programmittel zu verschaffen.

Doch was bislang als ausgemachte Sache galt, daß nämlich Radio NRW auch die Lizenz für das landesweite Rahmenprogramm bekommen sollte, ist nun keinesfalls mehr so eindeutig. Inzwischen hat nämlich auch Kanal 4 angekündigt, daß er sich um eine Lizenz für das Rahmenprogramm bewerben will.

Kanal 4, das sind nordrhein-westfälische Videogruppen, Filmemacher und andere Kulturschaffende, die bislang alle vier Wochen anderthalb Stunden auf den RTL-Plus- und SAT1 -Frequenzen mitfunken dürfen. Erst kürzlich kam es zu einem Eklat, als RTL-Plus den Vertrag mit Kanal4 kündigte, weil dort ungeschminkte Videos über den Kölner Häuserkampf gesendet wurden (taz vom 13.3. 89).

In einer Broschüre dient sich Kanal 4 den 45 Veranstaltergemeinschaften in NRW als Partner an, in erster Linie für ein Rahmenprogramm, in zweiter Linie aber auch als Betreibergesellschaft für das Lokalprogramm nach dem nordrhein-westfälischen Zwei-Säulen-Modell, das eine Trennung von rundfunkrechtlicher und ökonomisch organisatorischer Verantwortung vorsieht.

Als Konkurrenz zu Radio NRW legt Kanal 4 durchaus ein attraktives Angebot vor: 30 Millionen Mark aus der landesweiten Rundfunkwerbung garantiert Kanal 4 den Lokalstationen vorab, während Radio NRW erst einmal seine Kosten decken will, bevor es die Überschüsse an die örtlichen Veranstaltergemeinschaften verteilt. Gleichzeitig bietet Kanal 4 den Lokalsendern relativ weitreichende Mitspracherechte bei der Verteilung der Überschüsse an, verpflichtet sie auf der anderen Seite allerdings nur dazu, drei Minuten Werbung pro Stunde auszustrahlen. Bestimmte festgelegte Sendezeiten, in denen das redaktionelle Landesprogramm übernommen werden muß, gibt es nicht.

Allerdings stellt sich die Frage, wie ein kleiner Sender wie Kanal 4 gegen die geballte Marktmacht der alteingeführten Medienkonzerne anstinken will. Heinz-Hermann Storck, der neue Geschäftsführer, hat eine einfache Antwort: es gebe ein Preisdiktat'durch das Verleger/WDR-Kartell Radio NRW fürchten. Die hätten durchaus ein Interesse daran, einen anderen Lizenzbewerber gegen Radio NRW als Geldgeber aufzupäppeln.

Gleichzeitig spekuliert Storck, der früher Manager des SPD und gewerkschaftsnahen Linksrheinischen Rundfunks war, auf die Unzufriedenheit der örtlichen Veranstaltergemeinschaften (VGs). Denn bislang war allerorten zu hören, daß die als Verein organisierten VGs große Angst davor hatten, von den Profis aus den Verlagshäusern mit Knebelverträgen kurz vor Ablauf der Bewerbungsfristen um die lokale Sendelizenz erpreßt zu werden. In diese Bresche will Kanal 4 hineinschlagen: Kommt keine Vereinbarung mit einer Betreibergesellschaft, bestehend aus den gesetzlich privilegierten Gruppen (örtliche Verleger und Kommunen) zustande, kann jede x-beliebige Kapitalgruppe als Rundfunkbetreiber einspringen. Hier hofft Kanal 4, daß sich die eine oder andere Veranstaltergemeinschaft darüber bewußt wird, daß mit zusätzlichen Interessenten für die Betreibergesellschaft die Verhandlungsposition (der lokalen VGs) enorm steigt und Kanal 4 als ernsthafter Partner für die zweite Verhandlungsrunde in Frage kommt.

Es bleiben allerdings Zweifel, ob sich Kanal 4 durchsetzen kann. Zumindest ist in der jetzigen Situation, in der die lokalen Veranstaltergemeinschaften sich einem immensen Verhandlungsdruck durch die übermächtigen Interessen der Verleger ausgesetzt sehen, eine durchaus kalkulierbare Alternative sichtbar geworden. Ob Kanal 4 allerdings mithelfen kann, die geballten Unzulänglichkeiten des NRW -Rundfunkgesetzes zu überwinden, darf getrost bezweifelt werden.

-boff