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LEIDEN & TRÄUMEN

■ „Frauentypen“ in der Studio-Bühne

Wie sind sie, die Frauen? Das Mauerblümchen, schüchtern und verschämt, blüht im Verborgenen und träumt von dem, der es pflückt. Die Hausfrau klagt über ihr trauriges Los nach 13 Jahren Ehe, über Mann, Haushalt und Kinder. Und die Männer sind ja so schlecht, aber nett sind sie doch. Und die Domina, die hat's mit Gummi. So sind sie also, die Frauen.

Der Mann am Klavier (Klaus Kohler) beherrscht sein Fingerwerk ohne Frage, er bemüht sich, wie weiland der „Schräge Otto“ frech ins Publikum zu grinsen, was ihm aber nicht recht gelingen will, und sein Conferencieren ist ziemlich krampfig. Frank Astors Repertoire erschöpfte sich in Augenrollen, Blick nach unten richten, ein bißchen Getrippel und Singen, und Frauentypen kennt er nur zwei: die Leidend-Träumende und die Domina.

Wenn Männer einen auf Frau machen, wird es entweder peinlich oder, wie in diesem Fall, nett: die Beiden bringen ein durchschnittliches Travestie-Programm zustande, das vor 20 Jahren sicherlich aufregend gewesen wäre, zu einer Zeit, als die Frauen noch BHs trugen und „Emanzipation“ ein Begriff aus der Vergangenheit war - eine Show, die zum Abtingeln der zahllosen weltabgeschiedenen Kleinstädte des deutschsprachigen Raumes noch recht brauchbar wäre. Für eine Großstadt aber ein bißchen dürftig, möchte man meinen. In der Tat: keine der anwesenden Frauen entsprach äußerlich den auf der Bühne dargestellten Typen, und auch die männlichen Ausgaben der Gattung „Mensch“ sahen weder aus wie Draufgänger noch wie Ehekrüppel. Nein, an Tischen verteilt hockte ein ganz normales Szenepublikum mit einem Durchschnittsalter von grob geschätzt 30 Jahren. Und dennoch verbreitete sich auf den Gesichtern der anwesenden Frauen nicht etwa gelangweiltes Desinteresse, sondern vielmehr ein andächtiges, stilles Glänzen, ein Schimmern sentimentaler Reminiszenzen: „So hätte ich auch werden können, wenn nicht die Emanzipation dazwischen gekommen wäre“. Die Frauen von heute machen das Gesicht, das ihnen gerade paßt. Es ist gut, wie es ist, weil es auch schlechter sein könnte. Frank Astors augenzwinkerndes Wir verstehen uns, meine Damen wird erwidert. Die Mädels von heute haben die Emanzipation von ihren großen Schwestern geerbt und tragen sie als Schmuckstück um den Hals, vorzugsweise als Mutterkreuz in Form des altorientalischen Fruchtbarkeitszeichens - oder sie benutzen sie als treffsicheres Wurfgeschoß gegen ihre männlichen „Beziehungen“. Jedes Püppchen kann sich heute emanzipiert nennen und dabei völlig unfähig sein, sich in den Niederungen des Alltags zu behaupten - und zwar nicht aus Nicht-Können sondern aus Nicht-Wollen. Ja, ja, Frausein heißt Leiden an der Schlechtigkeit der Männer und der von ihnen beherrschten Welt, und im Leiden ist „Solidarität“ als Mitleid allemal billig zu haben. Auf diesem Ruhepolster läßt es sich gut träumen:„Heut‘ nehm‘ ich mir, was ich so brauche, wie mir gerad‘ zumute ist: Mal Arzt, mal Bäcker, mal Direktor, ab und an auch ein Jurist. (...) Ich lass‘ sie machen, wie ich's mag: (...) Und nach Verzehr werf‘ ich sie weg - auf Männer gibt's ja nicht mal Pfand.“ Ruhet sanft.

Michael Vahlsing

„Frauentypen“ Mi-So 21 Uhr bis zum 18.Juni in der Studio Bühne Berlin, Reinickendorfer/Ecke Schulstraße, 1-65

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