: HBV ruft zum Kampf
■ Tarifverhandlungen sind ausgesetzt: Arbeitgeber boykottieren Verhandlung in Bremen / Antwort der Gewerkschaft: Urabstimmung und Streik
Für die Gewerkschaft „völlig überraschend“ ist der jüngste Verhandlungstermin der Tarifkommissionen im Einzelhandel geplatzt. Wie berichtet, waren die Tarifkommissionen vorgestern zwar im Bremer Jürgenshof erschienen, aber nicht am Verhandlungstisch gelandet. Eine „gezielte Aktion“ des deutschen Einzelhandels, eine „Machtdemonstration“ des bundesdeutschen Einzelhandelsverbandes sieht HBV -Landesbezirksleiter Reiner Wiegand in diesem Verhalten. Da unmittelbar vor dem Scheitern der Bremer Verhandlungen der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels in Köln tagte, nimmt Wiegand an, daß „nach den in anderen Bundesländern angekündigten Urabstimmungen jetzt generell und auf zentrale Anweisung Auseinandersetzungen und Streiks mit den Beschäftigten
im Einzelhandel provoziert werden sollen“.
Die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen hatte bisher - und zwar auch nach dem Streik-Beschluß des DAG -Bundesvorstandes vom Freitag - in Bremen auf Druck gegen die Arbeitgeber verzichtet: Es gab keine Warnstreiks und noch keinen Beschluß zur Urabstimmung, „obwohl eine Zuspitzung des Konflikts sich andeutete“, (HBV-Vertreter Wiegand). Die Arbeitgeber fühlen sich laut Presseerklärung jedoch „massiv mit Kampfmaßnahmen bedroht“ und stiegen aus der Tarifrunde aus. Von den Gewerkschaften erwarten sie trotzdem „eine friedliche Rückkehr an den Verhandlungstisch“. Der HBV will unterdessen auch in Bremen und Bremerhaven zur Urabstimmung (vom 29. Mai bis 2. Juni) rufen.
Das Angebot des Einzelhan delsverbands Nordsee für die rund 30.000 Beschäftigten: Arbeitszeitverkürzung auf 37 Wochenstunden (ab 1990) und Lohnsteigerungen in den nächsten drei Jahren um insgesamt rund 12 %. „Das ist ein Mogelpaket“, meint dagegen die HBV. „Es soll mit dem Verzicht auf den sicheren Feierabend, auf Schutzrechte für die zunehmenden Teilzeitbeschäftigten sowie angesichts der Preissteigerung auch mit Reallohngefährdung bezahlt werden“, erklärten Gewerkschaftsvertreter gestern vor der Presse.
Zwei Hauptziele soll der Arbeitskampf deshalb verfolgen: 1. Die Arbeitszeiten auch von Teilzeitkräften sichern, damit „flexible“ Arbeitszeit nicht in „Arbeit auf Abruf“ endet. 2. Den Ladenschluß bei 18.30 Uhr festschreiben, auch wenn der Gesetzgeber
dies ab Juni anders vorsieht: „Der Dienstleistungsabend geht zu Lasten der Kolleginnen, die sowieso schon dppel-belastet sind.“
Der Einstieg in flexible Arbeitszeiten auch im Industrie und Produktionsbereich ist nach Ansicht von HBV -Gewerkschaftssekretär Helmut Thiel am geschicktesten über den Einzelhandel zu erreichen, da dort Arbeitnehmer und Verbraucher am ehesten in einer Person anzutreffen sind. Dabei werde in der Diskussion jedoch immer die Kehrseite verschwiegen: Daß nämlich kein Konsumschub, sondern nur eine Verlagerung des Käuferandrangs zu erwarten und darüber hinaus auch noch ein Preisschub wegen der höheren Personalkosten die Folge sei. Seine Gewerkschaft sagt deshalb zum veränderten Ladenschluß kompromißlos: „Nein!“
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