: „Zwangsentmietung“
■ Bausenator Nagel kündigt Maßnahmen gegen den Wohnungsleer- stand an / Bessere personelle Ausstattung der Ämter erforderlich
Bausenator Nagel will jetzt energisch gegen den Wohnungsleerstand vorgehen. Als eine Möglichkeit faßt er das Instrument der „Zwangsvermietung“ ins Auge. Gestern nahm der Senat eine entsprechende, von ihm eingebrachte Vorlage zur Kenntnis. Wieviele Wohnungen tatsächlich leer stünden, wisse man nicht genau, sagte der Bausenator gestern. Eine Untersuchung, die der alte Senat im letzten Herbst veröffentlicht habe, habe 4.155 leerstehende Wohnungen ergeben. Für nur 1.548 lagen Genehmigungen vor.
Bei der Bekämpfung des Leerstandes sei man auf die intensive Mitwirkung der Bezirke angewiesen, betonte Nagel. Beispielsweise müßten in Zeitungen annoncierte Eigentumswohnungen überprüft und gegebenenfalls „einer Neuvermietung zugeführt werden“. Dafür müßten die Wohnungsaufsichtsämter auch personell besser ausgestattet werden. Wie genau, dazu konnte er nichts sagen. Man prüfe derzeit, ob nicht die Mitarbeiter der bisherigen Mietpreisstellen, die durch die Abschaffung der Mietpreisbindung überflüssig geworden seien, die Ämter unterstützen könnten. Auch in seiner Verwaltung lasse er prüfen, ob Mitarbeiter umgesetzt werden könnten.
Prüfen lassen will Nagel auch, ob es rechtliche Möglichkeiten gibt, einen Hausbesitzer zu zwingen, seine leerstehende Wohnung zu vermieten. Weiter wird darüber nachgedacht, ob man Vermieter mit höheren Zwangs- und Bußgeldern dazu bringen kann, ihre Wohnungen nicht weiter leer stehen zu lassen. Er wolle aber keinen „Papiertiger“ zur Welt bringen, sagte Nagel. In Berlin sei bislang noch nicht einmal das rechtlich zulässige Bußgeld in Höhe von 20.000 Mark erhoben worden. Die Eintreibung der Gelder sei schwierig, weil die Eigentümer meist mit Widersprüchen und Klagen reagierten. Leerstandsgenehmigungen zum Zweck der Umwandlung in Aussiedlerheime werden von Nagel nicht mehr erteilt. Er verstehe die Sorgen seiner Kollegin Stahmer, sagte Nagel, müsse aber der mittelfristigen Wohnungspolitik wegen hier konsequent sein.
Die „Leerstandskommission“, ursprünglich als Feuerwehr gedacht, wird wahrscheinlich noch länger arbeiten. Bislang konnten 69 leerstehende Häuser erfaßt werden. 41 in Kreuzberg, sieben in Neukölln, zehn in Tiergarten, zehn in Schöneberg und eine in Wedding. Langfristig soll eine „Leerstandsdatei“ aufgebaut werden, in der sowohl Grundstücke als auch öffentlich geförderte Modernisierungsvorhaben erfaßt werden sollen. Der Leerstand von Wohnraum auch bei Sanierungs- und Modernisierungsprojekten betrage derzeit ein bis zwei Jahre. Angesichts der Wohnungsnot sei das „unakzeptabel lang“ und politisch nicht zu vertreten.
bf
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