: Was bedeutet „multikulturell“?
■ Auf der Suche nach einem Begriffsphantom / Da fragt eine nach der Verständigung der Völker - und was sie dazu so zu hören bekommt
Multikulturell - das ist ein Stichwort, das zunehmend durch die Medien geistert, meist an Politikerwünsche und Träume einer „idealen“ Gesellschaft gekoppelt. In Frankfurt hat die rot-grüne Koalition ihren ersten Dezernenten für „Multikulturelles“ eingesetzt. Was fällt BremerInnen zum Stichwort „multikulturelle Gesellschaft“ ein?
„Beuys“ kurz und prompt kommt die Antwort von Walter F., Frühschoppen-Gast im Rotkäppchen. Dann weiß er nicht weiter. Die Frau hinter der Theke bekundet offenherzig: „Für so eine Frage ist's noch viel zu früh am Tag.“
Differenzierter gibt dann schon Thomas H., 23 Jahre jung und z.Zt. Wehrdienstleistender, Auskunft: „Das Stichwort hat doch Heiner Geißler geprägt. Nur verstehen seine CDU-Leute das gar nicht. Die Einflüsse anderer Länder auf das eigene sind gemeint, damit nicht nur eine kulturelle Spezies gepflegt wird. Geißlers Stammtisch-Unionisten sind doch gegen Ausländer. Deshalb mußte er seine multikulturelle Gesellschaft doch ganz unten im Programm verstecken,“ und Thomas setzt noch eins drauf. „Wir Deutschen sind doch noch gar nicht reif für Europa.“
Im Reisebüro ist keine Zeit für „multikulturelle Gedanken“, EinkäuferInnen beim Tratsch fühlen sich von der Frage schlicht überfordert, das deutsch-italienische Ehepaar, das einen Gemischtwarenladen führt, fragt nur ein zähes “... viele Kulturen, oder?“ zurück und Wachtmeister K., auf Streife im Viertel, wiegelt ganz entschieden ab. „Da fällt mir gar nix ein.“
Weitaus heftiger reagiert ein Mittvierziger beim Rasensprühen im Vorgarten: „Die Frage kommt mir gerade recht“ sagt er über den
Gartenzaun. Und dann ist er nicht mehr zu bremsen: „Die multikulturelle Gesellschaft sieht hier so aus: Drei Häuser in dieser Straße sind vollgestopft mit Asylanten. Hinter 8 bis 9 Straßenmetern Häuserfront sind 20 Kinder. Die Kinder terrorisieren die Gegend mit geradezu rattenhaftem Diebstahlswesen: Meterweise räumen sie die Regale in Supermärkten und Boutiquen aus.
Dagegen vorzugehen, ist äu
ßerst gefährlich. Die Polizei nimmt schon keine Anzeigen mehr an und warnt davor, Anzeigen zu erstatten, weil sie vor Racheakten nicht schützen kann. Die Kinder kann man nicht einmal im Guten ansprechen, ohne daß die Familie geballt vor einem steht. Ich habe richtige Angst. Hier bei uns ist der Rechtsstaat zusammengebrochen. Das ist die multikulturelle Gesellschaft, die wir Henning Scherf zu verdanken haben.“
Daß die Asylbewerber seiner Nachbarschaft fast alle Autos fahren, manch einer gar 4-5 Wagen auf seinen Namen zugelassen habe, weiß der Bremer zu berichten. Und am Wochenende komme dann Familienbesuch aus Essen angereist. „Mobil sind sie also“ und deshalb schlägt er vor: „Man soll die Asylanten doch in den Villenvororten unterbringen. Den Politikern vor die Nase. Bei 10.000 Mark Monatsmiete, die das Sozialamt hier pro Haus bezahlt, wird doch wohl eine Villa auch drin sein.“ Der wackere Bremer war bisher SPD -Stammwähler. Am 18. Juni will er die Republikaner wählen „als Denkzettel“.
Birgitt Rambalsk
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