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„Zu menschlichen Regungen wie Mitleid nicht fähig“

■ Ein 26jähriger Gerüstbauer ließ seine schwangere Geliebte ermorden, damit seine Frau nichts von dem Verhältnis erfuhr / Zwei Angestellte übernahmen den Auftrag für jeweils 8.000 Mark / Auch zweijähriges Kind getötet / Zweimal lebenslänglich

Vor der 27.Strafkammer des Landgerichts ging gestern nach mehrwöchiger Verhandlung der Prozeß um den grausamen Doppelmord an einer 23jährigen schwangeren Frau und ihrem zweijährigen Sohn zu Ende. Zwei der drei Angeklagten wurden zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Der dritte Angeklagte muß wegen Beihilfe zum Mord zehn Jahre in den Knast.

Die 23jährige Kerstin Bugenhagen und ihr zweijähriger Sohn Steven waren am 12.August 1988 in ihrer Wohnung der Burgfriedstraße in Kreuzberg im wahrsten Sinne des Wortes niedergemetzelt worden. Am Körper der jungen Frau wurden 42 Messerstiche gezählt, bei dem kleinen Jungen elf. Kerstin Bugenhagen war aber nicht auf der Stelle tot, sondern hatte es noch geschafft, an der gegenüberliegenden Wohnung eines Nachbarn zu klingeln, bevor sie zusammenbrach. Der 28jährige Gerüstbauhelfer Wolfgang B., der gestern wegen zweifachen Mordes zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt wurde, hatte nach seiner Festnahme ein Geständnis abgelegt. Vor Gericht hatte Wolfgang B. unumwunden zugegeben, die Tat aus „Raffgier“ ausgeführt zu haben. Angestiftet worden sei er dazu von seinem Chef, dem 26jährigen Gerüstbauunternehmer Mario S., der ihm dafür - laut Anklage - 8.000 Mark Entgeld geboten hatte. Mario S. und der wegen Beihilfe mitangeklagte 26jährige Gerüstbauer Gerd J. hatten nach ihrer Festnahme gleichfalls ein umfassendes Geständnis abgelegt, dieses vor Gericht aber widerrufen.

Die 27.Strafkammer war gestern jedoch aufgrund der früheren Aussage von Mario S. davon überzeugt, daß er den Auftrag erteilt hatte, seine Geliebte Kerstin Bugenhagen umzubringen und verurteilte den Gerüstbauunternehmer ebenfalls zu lebenslänglicher Haftstrafe. Als „niedrige Beweggründe“ wertete das Gericht, daß Mario S. seine Geliebte Kerstin Bugenhagen töten ließ, damit seine Ehefrau Carmen nichts von dem Verhältnis erfuhr. Mario S. hatte seit mehreren Jahren ein Verhältnis zu der jungen Frau unterhalten und war auch der Vater des zweijährigen Steven. Seine Ehefrau Carmen wußte von all dem nichts.

Der Vorsitzende Richter Prüfer ging im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft davon aus, daß es unter den Angeklagten abgemachte Sache war, Kerstin Bugenhagen zu töten, bevor diese Mario S. mitteilte, daß sie erneut von ihm schwanger sei. Für nicht erwiesen hielt der Richter jedoch, daß der Mordauftrag auch für den kleinen Steven galt - darum wurde Mario S. dafür auch nicht verurteilt. Der Hauptangeklagte Wolfgang B. hatte ausgesagt, daß der zweijährige Junge im Kinderzimmer anfing zu weinen, als er im Vorzimmer auf die Mutter eingestach. Da sei ihm eingefallen, daß sein Auftrag noch nicht beendet sei. In der Urteilsbegründung verwies Prüfer darauf, daß Wolfgang B. aufgrund seines „bejammernswerten Lebenslaufes“ offensichtlich „kein Gewissen“ habe und zu menschlichen Regungen wie Mitleid nicht fähig sei.

Der dritte Angeklagte, Gerd J. - der für seine Behilfe ebenfalls 8.000 Mark versprochen bekommen haben soll -, hatte Wolfgang B. an der Wohnung der jungen Frau abgesetzt, bevor er ihm das Messer gab. Gerd J., der mit Kerstin schon lange befreundet war, hatte Wolfgang B. nach Überzeugung der Kammer auch geraten, wie er am besten in die Wohnung reinkomme: Zweimal klingeln und „Kunne“ (Gerd J.s Spitzname) sagen.

plu

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