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Unter Sternen

■ Cheb Kader's Rai trieb das Volk auf die Beine und zu Begeisterungsstürmen

Der Wettergott, der sich in unseren Breiten ja sowieso an kaum eine Regel hält, zeigt auch fürs Bremer Konzertprogramm nicht das geringste Interesse. Das wär's doch gewesen: die Kuppel im Modernes offen und unter blauem Himmel und unter den ersten aufziehenden Sternen den Klängen Cheb Kaders lauschen!

Des Rai-Musik verbreitet nämlich ein Fluidum, wie es sich am besten open air entwickeln kann: In der Kashbah, auf irgendeinem palmenumsäumten Platz, zwischen tausenden von tanzenden Menschen, die ihrer Lebensfreude auch körperlich Ausdruck verleihen. Aber immerhin: Der smarte Jungstar aus Algerien, seit geraumer Zeit in Paris lebend, schaffte es nach einer gewissen Anlaufzeit auch ohne dieses Ambiente, sein Publikum auf die Beine und zu Begeisterungsstürmen zu treiben.

Für eine Band, die ohne die Promotion einer großen Platten

firma auskommen muß und mehr oder weniger ausschließlich auf ihren exotischen Status bauen muß, waren die knapp fünfhundert Besucher schon ein ganz ansehnliches Ergebnis. hier das sänger-foto

rein

Vielleicht wären es sogar noch ein paar mehr gewesen, wenn nicht unser stadtbekannter Popkanal mit einem seiner berühmt -berüchtigten und so unsäglich marktschreierischen Jingels quasi Anti-Werbung betrieben hätte.

Aber Spekulation beiseite: Die gekommen waren, haben's wahrlich nicht bereut. Die Mischung aus arabischen Basismelodien und weltichen Disco-und Tanzrhythmen, wie sie die modernen Rai-Interpreten vom Schlage eines Cheb Kader präsentieren, stieß bei den tanz-und hörwilligen BremerInnen auf erstaunliche Resonanz: Da wurde dann auch schon mal über das ewiggleiche Strickmuster der Arrangements hinweggehört, mit dem die sechsköpfige Begleitband des Rai-Prinzen aufwartete.

Man hatte ja schließlich auch anderes, auf das man seine Aufmerksamkeit richten konnte: z.B. die ungemein lockeren Tanzbe

wegungen des Bassisten Djamel Ben Haj Khalifa oder seines Keyboard-Kollegen Samir Ben Messaoud, deren Hüft-und Bauchschwünge immer wieder fast unglaubig bestaunt wurden und jeder Bauchtänzerin zur Ehre gereicht hätten.

Unumstrittener musikalischer Star des Abends war Geiger Djamel Ben Yelles, der dem rhythmischen Fundament aus Drums, Percussion und Baß durch seine Melodieführung die entsprechende exotische Würze verlieh und damit auch dafür verantwortlich zeichnete, daß die weitgehende Anpassung an europäische Hörgewohnheiten nicht zur puren Anpassung verkam.

Und Cheb Kader selbst bewies mit seinem variablen Organ, daß er nicht zu Unrecht als aufgehender Stern am Rai-Himmel gefeiert wird - bleibt zu hoffen, daß sein Stern im ungestümen Auf und Ab der Musikmoden nicht allzuschenll untergeht.

JüS

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