Rassismus im linken Gewand

■ Scharfe Zurückweisung der Haberkorn-Vorschläge durch die Bonner Grünen Haberkorn „reagiert wie ein Spießer“ / Konflikt um multikulturelle Gesellschaft angeheizt

Entsetzte Reaktionen hat bei den Grünen das Haberkorn-Papier ausgelöst. Die dem linken Flügel der Partei angehörende Vorstandssprecherin Verena Krieger sprach von einem „Nationalismus unter anderen Vorzeichen“. Realo-Wortführer Udo Knapp sieht, ebenso wie die für Ausländerfragen zuständige Bundestagsabgeordnete Erika Trenz, „linken Rassismus“ am Werk. Das Berliner Papier hat zugleich bei den Grünen den Streit um die Münsteraner Parteibeschlüsse zu „offenen Grenzen“ und einer multikulturellen Gesellschaft weiter angeheizt.

Mit dem Papier, das auch eine neue Definition „deutscher Herkunft“ vorschlägt, würden von links nun Kriterien definiert, wie das bislang für Flüchtlinge nur von rechts geschehen sei. „Ob das Deutsche sind, muß uns völlig gleichgültig sein“, kritisierte Verena Krieger.

Das Papier verdeutliche, daß Teile der Grünen ihr Verhältnis zu demokratischen Grundstrukturen nur nach Opportunitätskriterien bestimmten, kritisierte Udo Knapp. Haberkorn reagiere „wie jeder deutsche Spießer, der Angst um seinen Sonntagsbraten hat“. Knapp sieht einen Ausweg der Zuzugsproblematik nur in der deutlichen Abgrenzung einer eigenständigen Einwanderungsgesetzgebung neben dem Asylrecht. Die Bereitschaft zur Aufnahme von Ausländern sei viel größer, als die Grünen und Haberkorn dächten, so die Auffassung von Knapp.

Daniel Cohn-Bendit, künftiger Dezernent für Multikulturelles in Frankfurt, sprach von einer „fatalen Sackgasse“, die das Problem nicht löse: Wer den Aussiedlern das „Deutschtum“ streiche, habe es dann eben mit Asylbewerbern zu tun. Cohn-Bendit kritisierte die Grünen, sie verklärten die Asylbewerber und hätten sich mit dem Münsteraner Beschluß lediglich die „richtige Gesinnung attestiert“.

Auch viele Aussiedler seien Opfer von Diskriminierung und Unterdrückung, betonte Erika Trenz. Außerdem: „Die Abstammung kann nicht Grundlage für eine menschenwürdige Politik sein.“ Frau Trenz kritisierte den Beschluß des letzten Parteitages in Münster, der zwar praktisch offene Grenzen und ein pauschales Bleiberecht, jedoch keine Aussagen zum Zuzug formulierte. Diese „rhetorische Kraftmeierei“ habe der Glaubwürdigkeit der Grünen geschadet, schreibt sie in einem gestern veröffentlichten Papier. Erika Trenz schlägt vor, jährliche Kontingente für Einwanderer festzulegen, unter denen auch aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik einreisende Aussiedler fallen. Hinzukommen sollen vom Bundestag festzulegende jährliche „Schätzzahlen“ für Flüchtlinge, für die dann soziale Vorsorge und Eingliederungsmaßnahmen bereitgestellt werden können. Dies werde so bereits in Kanada gehandhabt. Auf dem Wege einer öffentlichen Diskussion über die Aufnahmekapazitäten der Bundesrepublik könnte der Bevölkerung am besten die Angst genommen werden, eine unüberschaubare Zahl von Ausländern gefährde die eigenen Arbeitsplätze, Wohnungen und Wohlstand, führt Erika Trenz aus. Außerdem soll ein Kontingent für die „ärmsten“ Flüchtlinge festgelegt werden. Weil diese Menschen bislang aus wirtschaftlichen Gründen nicht einmal an eine Flucht denken könnten, sollten Finanzmittel direkt in den betroffenen Ländern bereitgestellt werden. Bisher seien nur die „reichen“ Flüchtlinge nach Deutschland gekommen.

Gerd Nowakowski