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Kein Bock auf Bockschein

Zum Jahrestag des Prostituierten-Aufstands von Lyon 1975 gingen gestern in vielen Städten die Frauen des Rotlicht-Gewerbes auf die Straße / Demonstrantinnen forderten die Abschaffung der Zwangskontrollen  ■  Von taz-KorrespondentInnen

Berlin - „Männer auf den Bock!“ Diesem Aufruf der Berliner Prostituierten-Initiative Hydra anläßlich des Jahrestages des Prostituierten-Aufstands im französischen Lyon von 1975 waren nicht allzuviel potentielle Freier gefolgt. In einer Briefaktion hatten die Hydra-Frauen rund 2.000 „Bockscheine“, wie sie jede Prostituierte zur Kontrolle beim Gesundheitsamt vorlegen muß, an Männer verschickt. Sie sollten sich gestern auf dem Bock, gemeint ist der gynäkologische Stuhl, vor dem Berliner Gesundheitssenat zur Untersuchung einfinden. Dort hatten die „Hydras“ ein Zelt als Gesundheitshaus mit Bock aufgebaut. Neben Musik, Theater und dem obligatorischen Kondom aus dem Bonbonglas, sorgte die eigentliche Untersuchung der „Patienten“ besonders unter den stark vertretenen Fotografen für Furore.

Münster - Die Gruppe war winzig, der Wirbel groß. „Mein Gott“, „diese Schweine“, „das darf ja wohl nicht wahr sein“. Erstaunen, Empörung, aber auch Neugier und Interesse rief gestern die erste Prostituiertendemo im schwarzen Münster hervor. Rund 30 DemonstrantInnen - Prostituierte, SympathisantInnen und Freier - zogen mit Transparenten, Flugblättern, Kinderwagen und Fahrrädern durch die Innenstadt. „Nur ein Dummi macht's ohne Gummi“ und „Prostitution kann auch Lust sein“ war auf den Transparenten zu lesen. Fassungslosigkeit war den meisten PassantInnen ins Gesicht geschrieben. Gesenkten Kopfes Vorbeirauschende wurden belächelt, und auch McDonald's-Gäste und Nonnen blieben trotz Warnung der Polizei nicht von Flugblättern verschont. Das größte Interesse der Zaungäste lag wohl darin, zu erraten, welche Demonstrantin jetzt wirklich „eine“ sei. Auch nach „guten Adressen“ wurde gefragt. Einige PassantInnen, die ihre Freude an der Provokation hatten, schlossen sich spontan an und halfen im Anschluß an die Demo, Flugblätter und Freierbriefe in Bars und Sexshops zu verteilen.

Nürnberg - Mit roten Rosen kämpften in der Nürnberger Fußgängerzone vor der St.-Elisabeth-Kirche 15 mit Federschmuck maskierte Frauen der Nürnberger Prostituierten -Selbsthilfegruppe „Kassandra“ für „Bürgerrechte für Prostituierte“. Die Flugblätter mit dem Titel „Wir sind Frauen wie andere auch“ erweckten überwiegend die Aufmerksamkeit von Frauen. Männer zeigten allenfalls aus der Distanz Interesse an dem Infostand. „Ich habe das Gefühl, die Männer schauen, ob sie eine von uns vom letzten Mal wiedererkennen“, beschrieb eine „Kassandra„-Frau die Männerreaktion.

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