: Gott war eine Frau
■ Leider nur einmal im Jahr ist in Bremen Gottesdienst von und für Frauen
Am Donnerstag abend in Bremen war Gott eine Frau. Und rund 40 Christinnen oder auch Nicht-mehr-Christinnen trafen sich, beteten zu Gott als „Hüterin und Bewahrerin“ und sangen „Gott ist Mutter, ist Schwester und ist Frau“. Einen hochspannenden Text, der schon vor Jahrhunderten aus der Bibel gestrichen wurde und nur noch in den 'Apokryphen‘ zu finden ist, hatten die Vorbereitungsfrauen ausgesucht: Judit. Die hatte sich nämlich, 600 Jahre vor unserer Zeitrechnung, gebadet, gesalbt und geschmückt, mit ihrer Dienerin ins feindliche Herreslager geschlichen, den Feind der Feinde betört und betrunken gemacht und ihm am Schluß mit dem eigenen Schwert - den Kopf abgeschlagen und so das eigene israelitische Volk vor Unterwerfung und Unglück gerettet.
„Wir wollen starke Frauengestalten in der Bibel entdecken und bekannt machen“, erklärte eine der Initiatorinnen der Frauen-Gottesdienste, die Waller Diakonin Roswitha Rotzoll, der taz. Diakoninnen, Sozialarbeiterinnen und Ehrenamtliche verschiedener Bremer Gemeinden bereiteten schon zum dritten Mal einen Frauen-Gottesdienst vor, einmal im Jahr, als Zusatzarbeit zum üblichen Pensum.
Gekommen waren gutgelaunte und erwartungsvolle Frauen aller Altersgruppen, also auch ganz viele junge und mitteljunge. Mit ein paar einfachen Maßnahmen gelang es auf Anhieb, die üblicherweise schläfrige, anonyme, passive Gottes-Dienst -Haltung aufzubrechen: Die Frauen saßen auf kleinen Pappkartons, die nach Belieben umgruppiert und auf die Seite geschoben wurden; Lieder wurden zu Beginn richtig eingeübt und konnten dann auch mutig gesungen werden, bei einfachen Kreistänzen zu afrikanischen Rhythmen faßten die Frauen sich an, kamen in Bewegung, sahen sich in die Gesichter.
Collageartig sollte Judits Geschichte aktualisiert werden: teils in Worten des 20. Jahrhunderts nacherzählt, übergangslos konfrontiert mit Aussagen eines SS-Manns, illustriert mit flammenden Reisfeldern und verbrennenden Kindern des US-Vietnamkriegs-Szenarios. Die schreckliche Größe des biblichen Herrschers Nebukadnezars sollte aus 2.000 Jahren Entfernung in die Waller Kirche von heute gebracht werden - mit dem etwas zweifelhaften, allzu didaktisch anmutende Griff in die Schrecklichkeiten-Kiste unserer Zeit. Die szenische Darstellung - Judit mit ihrer Dienerin - mutete bestenfalls an wie ein spontanes Rollenspiel, war aber mit ungeheurer Emphase ausgestattet und deshalb auch eher unbehaglich anzusehen.
Dagegen die so einfache wie wunderbare Idee: Die Besucherinnen in kleine Kreise zu setzen und über Judit sprechen zu lassen - über diese Art von drastischem Wiederstand („schlage den Feind durch meine täuschenden Lippen“), übers Kopfabschlagen, über den Einsatz von Körperlichkeit in der Geschichte und über Körperlichkeit in der Kirche heute, über Gewalt als politisches Mittel damals und heute. Schade: Jetzt dauert es wieder ein Jahr, bis Gott Frau wird. Susanne Paa
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