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Die Hände des Jean Tinguely

■ Der Künstler und sein Werk im Korsett des audiovisuellen Mediums

Daß Kunst im Fernsehen selten zu sehen ist, kommt ihr wohl nur zugute. Der Sinnlichkeit des Kunstwerks steht die Nüchternheit des Mediums entgegen. So flimmerten uns Tinguelys Wahnsinnsmaschinen am Montag nur aus zweiter Hand in die Wohnstuben. Wer einmal vor einer seiner gewaltigen, zermalmenden Arbeiten (Hannibal 1967) stand und mit hilfloser Gebärde darauf wartete, daß die Maschine endlich den Boden aufreißt, sich durch die Mauern des Museums sägt und einen Trümmerhaufen hinter sich läßt, der weiß, daß der Filter des TV nur einen müden Abklatsch davon liefern kann.

Der Film von Peter Leippe, vom ZDF als Porträt des Künstlers verstanden, gibt keinen Einblick in die Wege und Stationen Tinguelys. Die halbstündige Sendung war eher eine Zumutung für den Betrachter. Gerade hatte man sich mit der Sprache und dem Werk Tinguelys vertraut gemacht und war neugierig geworden, da war es auch schon vorbei. Abrupt riß die Sendung ab. Die Ansagerin kündigte als nächsten Thomas Gottschalk an.

Es ist jedoch nicht Peter Leippe zuzuschreiben, der diese halbe Stunde voll genutzt hat. Keine idiotischen Kommentare stören den Ablauf, zu Wort kommt nur der Künstler selbst. Passagen seiner Rede werden illustriert durch die Beobachtung einzelner Arbeiten. Hier hat sich Leippe Zeit genommen, die Kamera gewährt längere Einstellungen, störend ist nur die oft bombastische Musik, die das Werk wohl zusätzlich dramatisieren soll.

Tinguely selbst redet mit seinem Kopf, und seine Hände reden auch. Man sieht an diesen Händen die Arbeit, die in seinen Maschinen steckt. Es sind nicht die Hände eines jungen Kunst-Yuppies, der sich mit dem stimulierenden Reiz aufblasbarer Plastikhäschen zufrieden gibt, um diese dann in Edelstahl gießen zu lassen.

Tinguelys Hände erzählen viel, sie erzählen auch vom Altern und der banalen Erkenntnis, daß, „wenn man lebt, auch stirbt!“ Diese Worte kann nur jemand so überzeugend sagen, der, wie Tinguely, wochenlang im Koma lag. Doch sich dem Sterben zu ergeben, läßt einer wie Tinguely nicht zu. Im Gegenteil. Mit Verve und Geradlinigkeit geht er an die Ordnung seines Werkes und mit der Erkenntnis, daß wenn der Körper langsamer wird, auch die Maschinen langsamer werden und grauenhafter. Die Hexen von 1985 ziehen mit klappernden Schädeln ihre geisterhafte Bahn, die Spinne von 1986 gräbt sich magisch langsam in die Gehirnwindungen. Doch auch andere Anstöße trieben Tinguely immer wieder voran. Der noch unvollendete Kopf in einem Waldstück bei Paris zeugt von der fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Bildhauerin Niki de St. Phalles. Verspiegelt, seltsam riesig steht er inmitten des Waldes, die Bäume überragend. Ein Eisenbahnwaggon in luftiger Höhe umschwebt ihn, ein Ohr von der Größe eines Elefantenbabys bewegt sich knarrend.

Alle seine Werke leben von der Bewegung und vom Geräusch. Das Geräusch des arbeitenden Metalls gibt den Maschinen etwas Archaisch-Kurioses. Ein grandioser Sound muß 1960 geherrscht haben, als er im Garten des Museums of Modern Art die mobile Riesenskulptur Hommage an New York sich selbst zerstören ließ. Solche Momente atmosphärisch einzufangen, dazu ist die Fernsehkamera kaum imstande. Eine 66er Bildröhre ist zu klein für Tinguelys großes Werk.

Grossien

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