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GLITZERNDE WOGEN

■ Orientalische Tänze in der UFA-Fabrik

Wenn die eigenen Eltern beim Paris-Besuch dort eine Bus-Tour „Paris by night“ inclusive arabischer Bühnenshow buchten, war einem das schon ein bißchen peinlich. Wenn wir nun selbst in die UFA-Fabrik zu einer „Reise durch die Welt des orientalischen Tanzes“ strömen, ist das natürlich ganz etwas anderes. Denn wir kommen ja nicht der wogenden Bäuche und hüpfenden Brüste wegen, sondern entweder weil wir, aufgeschlossen für das Fremde, uns dieses Zeugnis einer alten Kultur nicht entgehen lassen wollen, oder weil wir körperbewußt selbst schon die Lösung der verklemmten Muskeln und Gefühle im Bauchtanz erfahren haben. Fast dreimal wechseln alle im Zuschauerraum ihre Plätze, weil man überall schlecht sieht, und tauschen Reisetips über Gegenden aus, in die 'fast niemand kommt‘. Endlich geht's los.

Es ehrt die drei Tänzerinnen Jalilah, Afritah und Zarefah (aus Texas, Kalifornien und New Jersey), daß sie sich bei ihren Studien orientalischen Tanzes um Authentetinzität bemüht haben; in ihrem Programmheft benennen sie die Herkunft der Choreographien aus Ägypten, Kuwait, Libanon, Türkei und Nord-Afrika, und sie weisen auf die Beimischungen von amerikanischem Show-Biz hin. Doch bleibt zu bezweifeln, daß irgendjemand hier den Unterschied spürt, ob er nun in jahrhundertealtem Rhythmus gewiegt wird oder einer Tanz -Sensation aus westlichen Nachtclubs aufsitzt. Imitation oder ursprüngliche Kunst - für uns wird sie gleicherweise zur Schau, nur daß man ihr, um das intellektuelle Gesicht zu wahren, doch bitte einen ethno-kulturellen Anstrich verleiht. Zur Steigerung der exotischen Illusion fehlt in der therapeutischen UFA-Atmosphäre allerdings das kribbelnde Gefühl, daß im Publikum dunkle Geschäfte ausgehandelt werden, während die lieblichen Tänzerinnen die Augen der Gesetzeswächter fesseln.

Viel Glitter und Sternenfunkeln gehört dazu. Glitzerschnüre, glänzende Röcke, wehende Schleier, echte und falsche Zöpfe vergrößern jedes Neigen des Kopfes, Ruckeln der Hüfte und Vibrieren des Busens, bis es auch in der letzten Reihe ankommt. Die Bewegungswellen setzen sich in den zarten Stoffmassen unermüdlich fort. Was ist gegen diese strahlende, bunte, opulente, auf- und niederwallende Einheit von Kostüm und Tänzerin doch der moderne Tänzer in seinem Trikot für eine armselige, knorrige und spartantische Erscheinung.

Im Profil, die waagerechten Handteller mit den Kerzen übereinandergeordnet, wie man es von ägyptischen Fresken kennt, zeigt sich uns Afritah im Pharaonischen Phantasietanz. Zarefah trägt einen vielarmigen Leuchter auf dem Kopf, den sie still wie einen Fels hält, während ihr Leib gleich dem Meer bei Windstärke sechs wogt. Zum Wasserholen mit dem Krug schreitet, sich in den Hüften wiegend, Jalilah und scheint dabei den Wasserlauf von der Quelle bis zur Mündung nachzuahmen.

Als Mitternacht sich nähert, entfalteten die kreisenden Bauchnabel allmählich eine hypnotische Wirkung auf mich und schläferten meinen Geist ein. Bevor ich vom Stuhl fallen konnte, bin ich gegangen, zu spät bemerkend, daß mir dadurch die „Ägyptische Parodie“ in Unterhosen entgangen ist.

Katrin Bettina Müller

Die Karawane - Reise durch die Welt des orientalischen Tanzes findet heute noch einmal um 21 Uhr in der UFA-Fabrik statt.

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