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Das Schweinefleisch soll besser werden

■ „Neuland„-Markenschweinefleisch als Alternative zur traditionellen Produktion / Aufbau kann mit Ökobank-Sparbriefen unterstützt werden

Der EG-Binnenmarkt bringt entscheidende Veränderungen im Marktgefüge landwirtschaftlicher Produkte. Die bundesdeutschen Bäuerinnen und Bauern werden es aufgrund der im europäischen Vergleich höheren Produktionskosten schwer haben, sich auf den Märkten zu behaupten. Sinkende Erzeugerpreise werden die Konzentration auf Betriebe mit günstigen Standorten fördern. Marktdifferenzierung heißt das neue Zauberwort, um diesem Prozeß etwas entgegenzusetzen.

Das bedeutet eine Produktion mit unterschiedlichen Qualitäten, unterschiedlichen Käufern und unterschiedlichen Preisen. Das weitestgehende Programm stellt dabei der kontrollierte ökologische Landbau dar, mit heute noch sehr geringen Produktionsanteilen von gerade 0,2 Prozent, aber mit jährlichen Steigerungsraten von 20 bis 25 Prozent.

Als Alternative zur konventionellen Produktion und nach eigenen Aussagen als Ergänzung zur ökologischen haben fünf Trägerverbände die Initiative für ein neues Markenfleischprogramm ergriffen und im Januar 1989 „Neuland“, einen „Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung“, gegründet. Es handelt sich dabei um den Deutschen Tierschutzbund, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Verbraucherinitiative, den Bund für Umwelt- und Naturschutz und den Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen Agrokoordination.

Zunächst ist das Programm auf Schweinefleisch ausgerichtet. Neuland hat erste Richtlinien für die Haltung und Fütterung der Tiere erarbeitet. Dazu gehören Stroheinstreu für Sauen, Ferkel und Mastschweine, ausreichende Bewegungs- und Auslaufmöglichkeiten, saubere Luft und Tageslicht. Das Futter soll zu 80 bis 90 Prozent aus heimischen rückstandskontrollierten Ackerfuttermitteln bestehen und darf keine Zusätze etwa von Antibiotika oder anderen Wachstumsförderern enthalten.

Ein wichtiger Bestandteil der Neuland-Richtlinien sind Umweltvorschriften für die Bauernhöfe. So darf der Dung, der bei der Schweinehaltung anfällt, nur in begrenztem, für den Boden verträglichem Maße auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht werden. Die Zahl der Mastplätze pro Betrieb ist auf maximal 300 Schweine beziehungsweise 60 Sauen begrenzt. Das bedeutet eine Ausrichtung auf klein- und mittelbäuerliche Betriebe.

Überwacht und kontrolliert werden sollen die Betriebe, die nach Neuland-Richtlinien arbeiten, durch unabhängige Kontrolleure des Vereins. Derzeit haben sich bereits 20 Betriebe an den Vorschriften ausgerichtet. Bis zum Jahresende könnten es nach Auskunft bei Neuland etwa 100 werden. Ein Vergleich dazu: 1987 gab es in der BRD 345.000 Betriebe mit 14 Millionen Mastschweinen, wobei 98 Prozent aller Betriebe weniger als 600 Mastschweine hatten.

Zur Frage, warum sich der Verein nicht gleich ökologisch ausrichtet, erklärt Neuland-Geschäftsführer Jochen Dettmer, daß dies an der Kreislaufwirtschaft des ökologischen Landbaus mit Schwerpunkt auf Getreide liege. Der lasse lediglich eine dem Getreideanbau angemessene Zahl von Tieren, meist Rindern, zur Mistproduktion zu. „Wir wollen den Betrieben, die sich außerstande sehen, in eine solche Produktion einzusteigen und deshalb gar nichts verändern, eine Möglichkeit bieten, sich umzuorientieren. Aber unser Ziel muß es sein, ökologisch zu produzieren.“

Große Schwierigkeiten bereitet im Moment die Vermarktung, die lediglich auf Wochenmärkten und einigen Höfen erfolgt. Die Preise liegen etwa 30 Prozent über den herkömmlichen. Der Fleischerfachhandel verhält sich sehr zurückhaltend, gehen doch viele Metzger davon aus, daß, wenn es um die Wurst geht, es nur auf die Qualität der eigenen Arbeit ankomme. Der Verkauf an Mensen und andere Großküchen wird angepeilt. Eine wichtige Rolle bei der Vermarktung von Neuland-Produkten sollen Erzeuger-Verbraucher -Genossenschaften spielen, von denen sich einige bereits im Aufbau befinden.

Gemeinsam mit der Ökobank in Frankfurt wurde ein Projektsparbrief entwickelt, durch den der Aufbau des Vereinsprojektes für die gesamte Bundesrepublik unterstützt werden soll. Der Verein kümmert sich um die Richtlinien für Haltung, Transport, Schlachtung und Weiterverarbeitung. Hinzu kommen Beratung, Kontrolle und Anerkennung der Betriebe, die Erarbeitung von Marketingkonzepten und die politische Vertretung.

Neuland e.V. verkauft selbst kein Fleisch oder Wurstwaren. Die Laufzeit der Sparbriefe, durch die eine Summe von 200.000 Mark zusammenkommen soll, beträgt fünf Jahre. Der Zinssatz für den Ökobank-Sparbrief beträgt 4,5 Prozent. Geringere Zinssätze können mit der Ökobank vereinbart werden; sie ermöglichten es dann, den Kredit für Neuland zu günstigeren Konditionen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig muß allerdings der Sparbrieferwerber das Sparbriefguthaben als Sicherheit an die Ökobank verpfänden. Sollte also Neuland e.V. seinen Verpflichtungen gegenüber der Ökobank nicht mehr nachkommen können, kann sich die Bank das Geld anteilig bis zur vollen Höhe von den Sparbriefguthaben holen.

Peter Huth

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