Satt im Saal

■ Zur Eröffnung der „Horizonte '89“ in der Berliner Philharmonie

Freundlich leuchtet die Abendsonne aufs große goldene Haus im Westen will sie untergehen. Vor dem Eingang feiert man noch einmal die Einweihung des Suez-Kanals mit Blasmusik und dem ägyptischen Marsch von Johann Strauß. Drinnen heißt American Express aktiv herzlich willkommen - zumindest die Handvoll Gäste der Philharmonie, die sich das leisten können. Aber auch die übrigen kommen auf ihre Kosten bei der Eröffnung des vierten Festivals der Weltkulturen Horizonte '89. Die „Idee des Projekts“ ist nämlich in diesem Jahr ganz „europäisch“, es gilt der „Begegnung von Orient und Okzident“.

Am ersten Tag ging das so: Die Musiker aus Istanbul, Kairo, Marrakesch und Taiwan hatten für das kulinarische Kolorit in den Pausen zu sorgen, während das Publikum wandelte, plauderte, aß und trank - sittsam saß es dann im Konzertsessel beim großen Querschnitt durchs klassische europäische Wunschkonzert, von Mozarts Serail über Schuberts Suleika und Rimsky-Korsakows Scheherazade bis hin zur schwülen Salome von Richard Strauss. Bei besonders peinlichen Brocken durfte das Radio Symphonie Orchester schon ein bißchen hudeln, und Moderator Norbert Ely machte immer mal wieder klar, daß Ausländer bessere Menschen sind. Nur: Man muß sie sich ja nicht unbedingt im Original anhören. Gewiß gab es auch historische Nischen für Kenner, mit dem vorzüglichen Consortium Classicum und einem erlesenem Programm des Ensembles Sarband, und das Angebot der nächsten Wochen kann sich sehen lassen. Aber aufgestanden ist dieses Festival der Weltkulturen mit dem falschen Bein: Beim Wandelkonzert blieb die Welt draußen vor der Tür, und Europa feierte sich selbst satt im Saal. Zur Begegnung fehlte es an der Gleichberechtigung der Gegner.

Aus dem Osten kommt das Licht - der Aufklärung, der Kultur und der Zivilisation. Das ist lange her, gottlob, im Zeichen des Kreuzes, das gerade überm Ku'damm weht, wurden die Mohren und Muselmänner doch schon vor Jahrhunderten in ihre Grenzen gewiesen. Also empfahl die Kultursenatorin den Horizonte-Besuchern, doch lieber gleich „dem Fremden in uns“ zu begegnen. Beim Festakt war dann noch die Rede von multikulturellem Miteinander-Füreinander-Austausch-Dialog -Öffnung-Anteilnahme-Verständnis-undsoweiter, ein Herr vom Auswärtigen Amt überbrachte Grüße von Genscher mit dem Hinweis, auch die Bundesrepublik unterhalte „enge Beziehungen zu den islamischen Ländern“. Nur der Regierende las nicht vom Blatt: Was den aktuellen Alltag in seiner Stadt anbelangt, liegen ja auch Welten zwischen Ost, West, Orient und Okzident.

E.E.Bauer