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Grenzziehung

Der Senat hat gestern den Polenmarkt verboten  ■ K O M M E N T A R

So recht gemocht hat sie keiner. Seitdem die Polen auf den Straßen der Stadt ihre zum Teil armseligen Waren feilbieten und den öden Platz, der ein Kulturforum werden soll, beleben, sind sie Stein des Anstoßes. Und Anstoß nehmen viele. Die IHK, weil sie die Kokurrenz fürchtet, die Bezirksämter, weil sie die Arbeit und den Ärger haben, und, nicht zu vergessen, die vielen verbrämten Ordnungsfanatiker, die sich mit seuchenpolizeilichen Bestimmungen und anderen Hygienegesetzen rausreden. Den einen sind sie zu geschäftstüchtig, den anderen zu dreckig. Keinesfalls aber hat man was gegen Polen.

Der rot-grüne Senat hat sich die multikulturelle Gesellschaft ins Koalitionsprogramm geschrieben. Die Mauer will nicht nur der Regierende Bürgermeister durchlässiger sehen, und den Eisernen Vorhang schiebt man immer gerne lautstark und kraftvoll zur Seite. Aber - bitte schön alles zu „unseren“ deutschen Bedingungen. Das heißt, daß die Polen zwar kommen und die Stadt und ihre zweifelhafte Großkultur bewundern, nicht aber ihren Nutzen aus dieser Freizügigkeit ziehen sollen. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Grenze dichtzumachen.

Wie erleichternd muß es für den Senat gewesen sein, daß ein findiger Zollfachmann nun den sauberen Hebel gefunden hat. Denn ausländerfeindlich, gar unseren östlichen Nachbarn gegenüber, will man selbstverständlich nicht sein. Und so darf der Wirtschaftssenator sogar selbstzufrieden ein Wort des Bedauerns über die schlechte Lage der Menschen in Polen und die eigenen bitteren Erfahrungen nach dem Kriege verlieren. Der verballiberale Senat macht's sich einfach. Die Drecksarbeit der nächsten Wochen muß die Polizei erledigen - mit der größten Razzia, die die Stadt seit langem gesehen hat.

Brigitte Fehrle

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