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Ende der Illusionen

■ NRW in der Medienpolitik endgültig auf Wirtschaftförderungskurs

Späte Einsicht zeigte ein Mitarbeiter der nordrhein -westfälischen Landesanstalt für Rundfunk (LfR) am vergangenen Freitag auf dem zweitägigen „Medienforum NRW“, das von der LfR und der nordrhein-westfälischen Landesregierung veranstaltet worden war: „Da haben wir uns früher auf den Juso-Kongressen vehement gegen die Stamokap -Theorie gewehrt, und jetzt müssen wir erkennen, daß sie recht hatte.“ Gemünzt war dies auf die Vorstellung, die die nordrhein-westfälische Landesregierung in Dortmund gab. Die Regieanweisungen stammten, so Insider, direkt aus dem Hause Bertelsmann zu Gütersloh.

Hatte Manfred Lahnstein - Vorstandsmitglied von Bertelsmann - schon am Donnerstag gefordert, „die Ära der Sublizenzen und Fensterlösungen allmählich zu beenden“ - gemeint sind unter anderem die Sendelizenzen für „Kanal 4“, „Spiegel TV“ usw. auf den RTL und Sat 1 zugewiesenen TV-Frequenzen - so präsentierte Johannes Rau am Freitag in einer programmatischen Rede die Grundzüge einer zukünftige Medienpolitik in NRW: „Wir müssen die Organisation der Lizensierung und Kontrolle bundesweit verbreiteter privater Hörfunk- und Fernsehprogramme neu überdenken.“

Rundfunk als eine Veranstaltung, in der der kulturelle Aspekt den wirtschaftlichen überwiegt, diese Definition hatte LfR-Präsident Klaus Schütz am Vortage noch unter Hinweis auf das Grundgesetz gegeben. Naturgemäß traf sie auf den heftigen Widerspruch von Manfred Lahnstein: „Ich bin nicht dafür, daß mir ein Dritter - erst recht nicht eine staatliche Aufsichtsbehörde - definiert, wo ein kultureller Beitrag anfängt.“

Tags darauf stand Klaus Schütz in der Riege der NRW -Medienpolitiker mit Einfluß alleine da. Johannes Rau verwies auf Prognosen, nach denen die privaten Veranstalter von Fernsehvollprogrammen noch bis zur Jahrtausendwende ca. 15-35 Prozent aller Fernsehzuschauer nicht erreichen können. Rau, ganz der fürsorgliche Politiker: „Ein so beträchtliches Zuschauersegment von der Fernsehwerbung auszuschließen, ist aus werbewirtschaftlichen Gründen nicht zu verantworten.“

Verbrämt hatte Bruder Johannes diese seine Positionen vor allem mit dem Wunsch, in Nordrhein-Westfalen günstige Standortbedingungen für die Medienindustrie und insbesondere für die mittelständische Filmwirtschaft zu schaffen. Der Werbemarkt in den neunziger Jahren wird ausreichend Geld bieten, um eine dritte bundesweite Fernsehkette zu alimentieren. Und die sähe Rau gerne in NRW angesiedelt.

Deshalb verkündete er den 600 anwesenden MedieninteressentInnen auch gleich, daß das Land NRW zusammen mit dem WDR eine „Filmstiftung Nordrhein-Westfalen“ gründen will. Der WDR soll darin die Gelder einbringen, die die Landesanstalt für Rundfunk „nicht benötigt“. Rau hofft, daß dies auch in Zukunft Mittel in zweistelliger Millionenhöhe sein werden.

Spätestens hier klingelte es den anwesenden Medienaktivisten, die bisher immer noch treuherzig an eine Chance für Alternativmedien in NRW geglaubt hatten, in den Ohren. Die LfR hatte trotz hoher Gehälter im vergangenen Jahr etwa elf Millionen DM Überschuß erwirtschaftet. Dies lag daran, daß sie vornehmlich damit beschäftigt war, sich selbst aufzubauen. Die finanzielle Unterstützung für Offene Kanäle, Videogruppen und den 15prozentigen Bürgerfunk im zukünftigen NRW-Lokalradio wurde in der vergangenen Rechnungsperiode noch nicht in dem Maße abgerufen, wie es erst zu erwarten ist, wenn die lokalen elektronischen Medien auf Sendung sind. Im Klartext: zweistellige Überschüsse der LfR können nur zu Lasten alternativer Ansätze der Medienarbeit gehen. Nutznießer sind die „unabhängigen mittelständischen Programmproduzenten“, wie Rau sie nennt.

Ihnen - zumindest denen, die sich auf das Medium Hörfunk spezialisieren - kommt auch zugute, daß die Landesregierung bis zum Jahresende in Dortmund das erste Hörfunkbildungszentrum der Bundesrepublik ins Leben rufen will. Träger dieses Aus- und Weiterbildungsinstituts für LokalfunkmitarbeiterInnen ist die „Gesellschaft für publizistische Bildungsarbeit“, der VerlegerInnen, Journalistengewerkschaften, der WDR und das Land angehören. Immerhin werden die Privaten wenigstens minimal zur Kasse gebeten: eine 0,5prozentige Umlage sollen die zukünftigen Lokalradios in Nordrhein-Westfalen aus ihrem Jahresetat abzweigen. Ihnen unter die Arme greifen will auch das Landesarbeitsamt.

Das Fazit, das man aus der Dortmunder Veranstaltung ziehen kann, heißt: Endgültiger Abschied von naiven Illusionen in die „noch“ andere Qualität sozialdemokratischer Medienpolitik.

In NRW brauchte das Medienkapital jedenfalls gar nicht mehr mit den Tricks arbeiten, die der Hamburger Politik-Professor Hans Kleinsteuber für andere Länder aufgedeckt hat: „In vielen Ländern hat die Medienindustrie durch gezielte Regelverstöße die gesetzlichen Bestimmungen aufgeweicht und sich damit letztlich selbst ihre rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen.“ In NRW funktioniert noch der Stamokap, und zwar per Brief aus Gütersloh.

boff

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