: Rekord-Dividende auch für Kritische Bayer-Aktionäre
Auf der Hauptversammlung wurden die 93 Gegenanträge abgelehnt / Konzernchef fordert schnelle Genehmigungen für gentechnologische Anlagen ■ Aus Köln Stephan Müller
So recht hatten die Protestaktionen gegen den Chemiekonzern nicht geklappt, die von der „Coordination gegen Bayer -Gefahren“ vorbereitet worden waren. Schließlich mußten die AktionärInnen des Multis aber doch noch am „Goldenen Kalb“ vorbei, um in den Kölner Messehallen an der Hauptversammlung der Bayer AG teilzunehmen. Rekordträchtige 14.000 AnteilseignerInnen erlebten anschließend, wie der Konzernvorstand einen erneuten Rekordgewinn von 1,9 Milliarden Mark weltweit verkündete.
Getrübt wurde die gute Laune der Vorstandsherren nur durch die „Kritischen Aktionäre“, die in der „Coordination“ mitarbeiten, einem Zusammenschluß von weltweit über 1.000 bayerkritischen Gruppen. Mit 93 Gegenanträgen versuchten sie, eine kritische Diskussion über die Praktiken des Chemieriesen herbeizuführen. Ansatzpunkte hierzu liefern das Verhalten des Konzerns bei der Gentechnologie, die Niedriglöhne in der Dritten Welt, die Produktion von krebsverdächtigen Chlorverbindungen und die Müllentsorgung (taz vom 18.5.).
Doch in diesem Jahr zeigte sich der Vorstand weniger diskussionsfreudig als bei der letzten Hauptversammlung. Um die Bayer-AktionärInnen nicht mit den Störmanövern zu langweilen, hatte es die Versammlungsregie verstanden, die KritikerInnen erst nach fünf Stunden zu Wort kommen zu lassen; und so wurden auch die zu diesem Zeitpunkt bereits verschwundenen PressevertreterInnen von der „Wiederholung weitgehend bekannter Vorwürfe“, so Vorstandschef Hermann J.Strenger, verschont. Strenger betonte den verantwortungsvollen Umgang von Bayer mit der Gentechnologie und forderte die Bundesregierung auf, endlich rasche und erfolgversprechende Genehmigungsverfahren für gentechnische Anlagen einzuführen. Unumwunden gab er die wirtschaftliche Bedeutung dieses Bereichs für die Bayer-Geschäftspolitik zu. Für die Kritischen Aktionäre warf ihm daraufhin Jutta Ditfurth vor, dafür unkalkulierbare Risisken in Kauf zu nehmen: Das Märchen, durch manipulierte Gene könne der Hunger beseitigt werden, komme von denjenigen, die den Hunger erst schaffen. Den Vorstand nannte sie „Kriegsherren von gestern, Umweltzerstörer von heute und Gendiktatoren von morgen“.
Auf der Hauptversammlung wurde auch gleich ein Erfolg der Gesundheitsreform bekanntgegeben: Für eine Reihe von Medikamenten muß Bayer die Preise senken. Nachdem Strenger zu Beginn der Versammlung noch Gelassenheit demonstriert hatte und „nicht im Einzelnen“ auf die Gegenanträge einging, da dies von der Majorität nicht gewünscht werde, wurden die Herren aus der Chefetage im Laufe der Diskussion denn doch noch nervös, und dies, obwohl den kritischen Beiträgen oft eine bayerfreundliche Rede folgte. So führte der Aufsichtsratsvorsitzende Grünewald plötzlich eine Redezeitbegrenzung ein und fiel den „Kritischen“ mehrfach ins Wort. Die „Coordination“ beklagte sich daraufhin über die „Mißachtung der Aktionärsrechte“. Auf Wohlgefallen stieß hingegen ein Redner mit der Frage: „Warum verkaufen diese Leute nicht ihre Aktien und lassen uns in Ruhe?“
Bei den Abstimmungen und Wahlen scheiterten die Kritischen Aktionäre bei der Nichtentlastung des Vorstandes und dem Versuch, zwei Vertreter in den Aufsichtsrat zu schicken. Beantragt war außerdem die Kürzung der Dividende von zwölf auf drei Mark, um Entschädigungen zu zahlen und Umweltschäden zu beseitigen. Beschlossen wurde schließlich eine Dividende von zwölf Mark oder insgesamt 761 Millionan Mark, den höchsten Betrag, den je eine bundesdeutsche Publikumsgesellschaft an ihre AnteilseignerInnen ausgeschüttet hat. Die Kritischen Aktionäre erhielten immerhin die Unterstützung von etwa 13.000 Stimmen - die entspricht jedoch nur einem Anteil von 0,04 Prozent der Stimmberechtigten.
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