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Wischiwaschi-Vorschläge zur Exportkontrolle

Die Bundesregierung legte einen Maßnahmenkatalog zum Rüstungsexport vor / Gesetze versprechen mehr als die tatsächliche Praxis hält / Hilfe beim Atomwaffenbau bleibt politische Ermessensfrage / SPD forderte Ende der Nuklearzusammenarbeit mit Frankreich  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Kein Wirtschaftsminister vor ihm, so brüstete sich gestern Helmut Haussmann im Bundestag, habe „in so kurzer Zeit so viele Gesetzesverschärfungen“ vorgelegt. Das Parlament begann gestern mit den Beratungen über einen ganzen Katalog von neuen Bestimmungen zum Rüstungsexport, zu denen sich die Bundesregierung in Folge der deutsch-libyschen Giftgas -Affäre genötigt sah. Bemerkenswert ist schon, daß sich nun ausgerechnet ein wirtschaftsliberaler Minister mit Gesetzesverschärfungen hervortut: Doch sagt dies mehr über die veränderte öffentliche Meinung in dieser Frage als über die künftige Praxis der staatlichen Export-Politik.

Denn erstens versprechen die neuen Gesetze mehr als sie halten: So wird zum Beispiel die Hilfe beim Atomwaffenbau nur bestraft, wenn dadurch „die auswärtigen Beziehungen“ der Bundesrepublik „erheblich gestört“ werden - eine politische Ermessensfrage. Zweitens wurden die Beteuerungen des Ministers, nun werde die Exportpolitik „umfassend reformiert“, gerade durch zwei Meldungen der vergangenen Tage desavouiert. Aus Haussmanns eigenem Haus wurde ein vertrauliches Protokoll zur U-Boot-Affäre bekannt (siehe taz vom 22.6.), das belegt, wie die fünf einschlägigen Ministerien in solchen Fällen über Vertuschungspraktiken konspirieren. Der Minister äußerte dazu gestern keinen Ton; vergebens forderte ihn die Opposition auf, sich von diesem „unglaublichen Vorgang“ (Gansel) zu distanzieren.

Der andere Fall betrifft die bundesdeutsche Beteiligung am irakischen Raketenprojekt „SAAD 16“: Erst im April widerrief das Eschborner Wirtschaftsamt die Ausfuhrgenehmigungen der Firma Gildemeister Projecta - nachdem die Staatsanwaltschaft längst aktiv geworden war und die Bundesregierung seit über zwei Jahren sogenannte „Hinweise“ hatte.

Der grüne Abgeordnete Stratmann nannte das Eschborner Amt gestern „einen Saustall im Einfluß der Rüstungswirtschaft“. Bei der bundesdeutschen Verquickung in Mittelstrecken -Raketenprojekte verschiedener Länder stellt sich allerdings die Frage, ob nämlich die Bundesregierung nicht nur der „Hampelmann der Rüstungsindustrie“ ist, wie der Grüne Mechtersheimer einmal formulierte, sondern ob auch eigene, politische Interessen der Regierung hinter der Raketen -Beteiligung stecken. Dies wurde aber von der Opposition in der gestrigen Debatte nicht thematisiert.

Die Grünen wollen einen Stopp jeglicher Rüstungsexporte und auch der zivilen Nuklearausfuhren. Die SPD will Kriegswaffen nur noch in die 24 Länder der OECD ausführen, weil dies keine Diktaturen und keine Spannungsgebiete seien: Auf dieser Liste steht aber auch der Nato-Partner Türkei. Ein neuer Ton war bei der SPD gestern allerdings zur atomaren Zusammenarbeit mit Frankreich zu vernehmen: Während die Sozialdemokraten die deutsch-französische Wiederaufarbeitung in La Hague bisher nur allgemein und recht dezent mit dem Hinweis auf die Gefährlichkeit der Plutoniumwirtschaft abgelehnt hatten, forderte der Abgeordnete Josef Vosen für seine Fraktion gestern das Ende jeglicher Nuklearzusammenarbeit mit Paris. Frankreich habe den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben, und die deutsche Beteiligung in La Hague werde „die Weiterverbreitung von Atomwaffen weiter fördern“. Die Union quittierte dies mit erstaunten Zwischenrufen.

Trotz aller Kritik will die SPD Haussmanns Gesetzentwürfe jetzt zügig verabschiedet sehen.

Nachzutragen bleibt, daß es sogar in Haussmanns eigener Partei Kritik an seinen unzureichenden Gesetzentwürfen gibt, die (natürlich) gestern nicht geäußert wurde. Hildegard Hamm -Brücher stöhnte kürzlich per 'Sonntagsblatt‘ über die regierungsamtlichen Beschwichtigungen („Das Ritual läuft immer gleich ab“) und machte sich sogar eine grüne Forderung zu eigen: den Verzicht auf jegliche Atomwaffenproduktion im Grundgesetz festzuschreiben.

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