: Achtung: Ozon in der sonnigen Luft
■ Autoabgase plus Sonneneinstrahlung ergeben Ozon / Alarm in Hamburg / JoggerInnen sollen zu Hause bleiben
Oh Sommer! Oh Sonne! Oh Sauerstoff! Während BremerInnen noch nichtsahnend die Sommertage genießen und unbefangen ihre Sommerluft einatmen, werden die HamburgerInnen bereits durch die ersten Ozon-Alarme aufgeschreckt. „Sommer - Sonne Ozon“ heißt die neue Gleichung. Und in der geht es nicht um das Ozon in der fernen Stratosphäre, sondern um das Ozon, das unter Sonneneinstrahlung in „bodennahen Luftschichten“ gebildet wird - aus zwei Autoabgas-Bestandteilen, den Kohlenwasserstoffen und den Stickoxyden. Die Bremer Abteilungsleiterin in der Umweltbehörde, Dr. Hirsch, brachte das Phänomen gestern auf die Formel: „Je schöner der Sommer, desto mehr Ozon.“ Die Hamburger Behörden in ihrer Ozon -Warnung am Montag: „In hohen Konzentrationen ist Ozon ein starkes Reizgas für Atemwege und Schleimhäute. Bei empfindlichen Personen bei großer körperlicher Beanspruchung im Freien (Sport, schwere körperliche Arbeit) können erste Wirkungen auftreten, wie etwa eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion.“
WissenschaftlerInnen ist das Boden-Ozon-Phänomen schon
seit Anfang der 70er Jahre vertraut. Schon damals waren in der Mannheimer Stadtluft Ozon-Konzentrationen von 500 Mikrogramm pro Kubikmeter von mindestens halbstündiger Dauer gemessen worden. Die bedrohlich hohen Werte haben sich bis heute nicht weiter erhöht, doch brauchte es bis Ende der 80er Jahre, bis auch die PolitikerInnen aufgeschreckt waren. Der erste Ozonalarm in der Schweiz im Herbst 1988 versetzte schließlich auch bundesrepublikanische PolitikerInnen in Aktionsbereitschaft.
Verbindliche Grenzwerte gibt es bisher in der Bundesrepublik nicht. Leitende bundesdeutsche Ministerialbeamte empfahlen 180 Mikrogramm als Grenzwert, der Ingenieursverband VDI 120, das Bundesgesundheitsamt 240 und die USA 400. Die Hamburger Behörden orientierten sich an der Ministerialbeamten-Richtzahl 180. Als sie vorgestern, am Montag, zwischen 14 und 19 Uhr Grenz-und höhere Werte feststellten, empfahlen sie den BürgerInnen zum zweiten Mal in diesem Jahr via Medien: „starke physische Beanspruchung im Freien - wie Joggen oder Leistungssport - in den Nachmit
tags-und frühen Abendstunden zu vermeiden.“
Am diesem Montag wurden in Bremen „150 Mikrogramm und etwas darüber“ an Ozon in der Stadtluft gemessen. Falls hier demnächst auch die 180 überschritten werden, will Frau Dr. Hirsch „zum Gesundheitssenator gehen und besprechen: Sollen wir jetzt eine Warnung rausgeben?“ Ohne daß an Alarm gedacht wurde, war der 180er Wert 1987 in Bremen immerhin in 147 halben Stunden erreicht worden, im verregneten 1988er Sommer dagegen war die Ozonkonzentration nur zweimal auf über 180 angestiegen.
Einen Stufenplan wie beim Smogalarm, in dem Autos und Fabriken zum Stillstand gebracht werden, hält der Ozon -Experte der Hamburger Umweltbehörde, Dr. Peter Bruckmann, beim sich weiträumig verteilenden Ozon höchstens europaweit für angebracht. Denn in den Städten ist die Ozon -Konzentration sogar vergleichsweise gering. Hier gibt es genügend andere Schadstoffe in der Luft, wie zum Beispiel die Flurkohlenwasserstoffe, die die Abgas-Ozon-Verbindungen wieder auflösen.
Von der zum Teil unerträglich hohen Ozon-Konzentration in den sogenannten „emittentenfernen“ Gebieten kann ein Bremer Jugendlicher, der unter Asthma leidet, ein Lied singen. Er hatte vor kurzem seinen Urlaub in der waldreichen Pfalz abbrechen
müssen, denn die Ozonwerte hatten im schönen Landau den 180er Grenzwert um ein Vielfaches überschritten: „Man hat einfach gemerkt, es war weniger Luft da. Das pfeift dann so aus dem Hals.“
Barbara Debus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen